Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2894 - Niemand stribt für sich allein

2894 - Niemand stribt für sich allein

Titel: 2894 - Niemand stribt für sich allein
Autoren:
Vom Netzwerk:
Restbeständen, für deren Abtransport sich keiner zuständig fühlt. Für die RPC war es einfacher, die kleine Brücke zu bauen und sich in dem Loft einzurichten.«
    Mein Handy klingelte.
    »Sir?«, sagte ich, als ich Mr Highs Stimme hörte.
    »Wir konnten die Eltern der Ermordeten ausfindig machen«, teilte er mit. »Ich habe Ihnen Adresse und Telefonnummer per E-Mail geschickt.«
    »Danke, Sir«, antwortete ich und erstattete einen kurzen Bericht. Ich fügte hinzu: »Mir kommt es so vor, als ob die Tote hier, wo sie gestorben ist, auch gefunden werden sollte .«
    ***
    »Guten Tag, Direktor«, sagte der Strafgefangene Cesar Levitt und verbeugte sich beim Eintreten. So ehrerbietig seine Wortwahl war, so sehr hörte es sich an, als würde er sagen: ›Hi, Jammerlappen.‹ Im Schulterbereich füllte der kahlköpfige Riese den Türrahmen fast vollständig aus. Nur um die schmalen Hüften herum war etwas Luft.
    Matt V. Shubert fühlte sich so schwach und hilflos wie jedes Mal, wenn der Kerl in sein Büro walzte. Levitt ignorierte jegliche Art von Autorität auf so vollkommene Weise, dass sich so mancher im Gefängnis fragte, weshalb er sich überhaupt noch einschließen ließ. Irgendwie strahlte der Mann mehr Macht und Einfluss aus als Direktor Shubert und sein gesamtes Personal.
    Levitt pflanzte sich in den ledergepolsterten Besucherstuhl vor Shuberts Schreibtisch und ließ die Hände klatschend auf die Armlehnen fallen.
    »Raus!«, dröhnte seine Stimme. Er drehte sich nicht einmal um, als hinter ihm die Sekretärin auf der Türschwelle erschien und zu einem zaghaften »Sir, ich …« ansetzte.
    Es war fast schon ein Ritual; das »… konnte ihn nicht aufhalten«, oder was immer sie zu sagen versuchte, bekam sie nicht mehr heraus. Vielmehr zog sie sich hastig zurück, noch bevor Matt Shubert sein Einverständnis geben konnte.
    Wie jedes Mal fühlte er sich alleingelassen, was seine Hilflosigkeit noch verstärkte. Hinzu kam, dass er Mrs Dunbar, seine Sekretärin, nicht einmal zurückrufen konnte. Damit hätte er sich vor Levitt erst recht lächerlich gemacht. Was hätte sie denn auch tun sollen? Händchen halten und ihn, den Schwächling von einem Direktor, trösten?
    Noch vor einem Jahr hätte er es nicht für möglich gehalten, jemals in eine derart demütigende Lage zu geraten. Dabei brauchte er sich rein äußerlich nicht mal vor Levitt zu verstecken. Er, Shubert, war von der Statur her mindestens genauso groß und breitschultrig wie Levitt. Im Gegensatz zu dem Kahlköpfigen hatte er dunkle Haare, die er militärisch kurz trug, nicht zuletzt als Erinnerung an seine Zeit bei der Army.
    Als Infantry-Lieutenant hatte er zwei Irak-Feldzüge mitgemacht. Fast täglich hatte er in dem Wüstenstaat dem Tod ins Auge gesehen. Er hatte gekämpft wie ein Berserker und war seinen Männern ein Vorbild gewesen. Und hier, auf der gottverdammten New Yorker Gefängnisinsel, konnte er nicht einmal mit einem hergelaufenen Straßengangster fertigwerden?
    All right, ganz so einfach lagen die Dinge nicht.
    Abgesehen davon, war Cesar Levitt alles andere als ein Straßengangster.
    Es schien, als hätte er die Gedanken des Direktors gelesen, denn ein belustigtes Lächeln umspielte Levitts schmale Lippen.
    »Geht es uns heute nicht gut?«, imitierte er den väterlich-fürsorglichen Ton Doc Wilsons von der Krankenstation. »Liegt uns irgendwas im Magen, Direktor? Ist es das Allgemeinbefinden oder was Spezielles? Vielleicht die Anwesenheit Ihres Lieblings-Gefangenen, meiner Wenigkeit?«
    »Machen Sie sich über meinen Gemütszustand keine Sorgen.« Shubert sagte es leise und dennoch mit fester Stimme. Er versuchte, wenigstens einen Teil seiner Selbstsicherheit zurückzugewinnen. »Was wollen Sie?«
    »Ich will mir mit Ihnen zusammen einen Film ansehen«, antwortete Levitt. »Einen Kurzfilm, genauer gesagt.«
    »Ich glaube …«
    »Nein, ich spinne nicht!« Der Kahlköpfige lachte. Doch sofort wurde er ernst, beugte sich vor und warf einen Blick auf den Bildschirm, der rechts auf dem Schreibtisch des Direktors stand. Levitt nickte zufrieden. »Ihr Rechner läuft. Gut. Öffnen Sie Ihre E-Mails und rufen Sie eine brandneue Mail von George Washington dem Zweiten auf.«
    »George Washington?«, wiederholte Shubert und starrte ihn an. »Ein Deckname?«
    »Logisch, Mann«, erwiderte Levitt kumpelhaft und deutete auf den Bildschirm. »Na los, öffnen Sie Georgies Nachricht – und vor allem den Anhang.«
    »Warum sollte ich das tun?« Der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher