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289 - Circus des Schreckens

289 - Circus des Schreckens

Titel: 289 - Circus des Schreckens
Autoren: Jana Paradigi
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jedem Stand, an dem es etwas zu entdecken gab.
    »Wenn ich ein Paar Stelzen abstauben kann, brauche ich die Stickleiter nicht mehr, um in den Zeppelin einzusteigen«, meinte Xij, als sie vor einem Schuppen Halt machten, und zwinkerte Aruula verschwörerisch zu.
    Die Barbarin nickte einfach und folgte ihr, auch sie offenbar begierig auf weitere Entdeckungen.
    Doch was sie im Inneren der Hütte fanden, war alles andere als lustig. In Eimern und Becken, die an Badewannen erinnerten, lagerten tonnenweise Abfälle. Glibberige, glitschige Reste, die wie abgezogene Haut und Fischinnereien aussahen. Und auf jedem der Behälter war mit dickem Pinsel ein Name aufgemalt. Auch der von Khalil Vahidi.
    ***
    1. Februar 2012 – Countdown
    »Du solltest nach Hause fahren, Elinja, Reportage hin oder her. Dein Platz ist bei deiner Familie, wenn es passiert«, sagte Khalil und blickte die Reporterin streng an.
    Über einen Monat lang war sie schon hier, hatte ihre kleine neugierige Nase in alles gesteckt, was mit seinem Projekt zu tun hatte, und ihn damit mehr als einmal an die Grenzen seiner Gutmütigkeit gebracht. Sie war taktlos, unverschämt und vorlaut, und trotz all dem hatte er sie in sein Herz geschlossen, so wie ein Großvater den frechen Enkel einfach lieben musste. Ihr unersättlicher Wissensdurst gepaart mit der Tollpatschigkeit einer Großstädterin gab ihm das Gefühl, für ein paar Wochen die Tochter zu haben, die ihm nie vergönnt gewesen war. Und gerade deshalb machte er sich um sie Sorgen und wünschte ihr das Beste. Auch wenn das hieß, dass er sie fortschicken musste.
    »Ich bin bereits, wo ich hingehöre, Khalil«, antwortete die Dunkelhaarige und wischte sich energisch ein paar Locken über die Schulter zurück. »Nicht nur, weil ich meine Arbeit abschließen will, sondern weil ich an diesem Ort verstehen gelernt habe, was wahre Verbundenheit und Glaube bedeuten. In England war ich nur mehr auf dem Papier eine Muslimin, ohne Bezug zu meinen persischen Wurzeln. Du hast mir wieder Glauben geschenkt und Hoffnung.«
    Bereits nach der ersten Woche hatte Elinja ihre Kleiderordnung aufgegeben und das unbequeme Kostüm und die Schuhe gegen einen einfach gemusterten Kaftan und Sandalen eingetauscht. Wenn auch wohl eher aus Bequemlichkeit denn aus neu gewonnener religiöser Hingabe. Es unterstrich ihre natürliche Schönheit und der rüstige Gewichtheber verstand gut, warum sein treuer Gehilfe Baran sich jeden Tag eifriger um ihre Gunst bemühte. Dennoch bereitete ihm ihr Wunsch Bauchschmerzen.
    »Es geht nicht nur um den Kometen. Wenn der wirklich die Erde trifft, wird es wohl egal sein, wo du dich aufhältst. Aber der Rahbar wird früher oder später auftauchen, das ist sicher. Und wenn er kommt, hat er das Todesurteil in der Tasche. Für dich und für mich«, versuchte Khalil ihr erneut ins Gewissen zu reden. Doch er erntete nur ein bockiges Schnauben.
    »Die Gelehrtengeier haben uns nach den prophezeiten sieben Tagen nicht mitgenommen und sie werden es auch in Zukunft nicht tun, egal wie oft irgendein Bote in geflaggter Limousine einen seiner Räumungsbefehle mit Ultimatum überbringt.«
    Doch, das werden sie , dachte Khalil bei sich, fuhr sich über den weißen Bart und musterte Elinja.
    Hatte er alles richtig gemacht? All die Shows und Auftritte, die Reisen und das rastlose Wandern von Zirkus zu Zirkus. Es war nie Zeit geblieben für eine große Liebe oder eine eigene Familie außer der der Schausteller. Was war ein Mann schon? War er nicht das, was er hinterließ? Sicher, es gab so Einiges, mit dem er Spuren in die Geschichte gezogen hatte. Aber waren ein Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde und ein paar Videos auf YouTube wirklich genug?
    Khalil drehte sich auf dem Vorplatz um und ließ seinen Blick wie so oft schon über das Zelt schweifen. Würde das hier seine nie geborenen Kinder ersetzen? Ja , antwortete es tief in ihm. Ja, denn daraus werden deine Nachkommen hervorgehen. Wenn nicht in den Genen, so doch im Geiste.
    »Ich werde dir nicht vorschreiben, was du zu tun hast, Elinja«, sagte er schließlich mit einem sanften Lächeln auf den Lippen. »Wenn Allah will, dass du bei diesem Kampf an unserer Seite bist, dann sei es so.«
    Und so hielt er es auch mit allen anderen, die kamen, um sich dem Zirkus anzuschließen und hier Unterschlupf zu finden. Je mehr Kometenflüchtlinge eintrafen, desto mehr Hände gab es, die halfen, den Bau voranzutreiben.
    Die Zuteilung der Arbeiten und die Organisation von Essen
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