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279 - Der Fluch von Leeds

279 - Der Fluch von Leeds

Titel: 279 - Der Fluch von Leeds
Autoren: Mia Zorn
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Anführer der Pipaas genoss es.
    Versonnen starrte sie auf die krause Oberfläche des Sees. Ob der Hundeführer ihr traute oder nicht, war ihr egal. Doch seine Dummheit ging ihr gehörig auf die Nerven. Warum konnte er nicht ein bisschen so sein wie Matt Drax? Der hatte einen wachen Geist und ein scharfes Urteilsvermögen. Sie schätzte ihn sehr. Umso mehr schmerzte sie das Misstrauen, das Drax ihr entgegenbrachte. Doch konnte sie es ihm verdenken? Sie selbst traute sich auch nicht über den Weg.
    Wie sollte sie auch? Sie kannte sich ja selbst nicht. Zu Unzeiten erwachten Träume und manchmal auch Visionen in ihr. So wie vor Tagen auf der Lichtung beim Kampf gegen die Lupas. Plötzlich und ohne Vorwarnung hatten Erinnerungen sie überfallen, in denen sie auf allen vieren mit einem Rudel Lupas durch das Unterholz dichter Wälder jagte, während Dreckkrusten die Haut ihres nackten Körpers bedeckten und die Läuse im verfilzten Haar sie nachts nicht einschlafen ließen.
    Und während diese Vision sie auf der Lichtung überfiel, verstand sie von einem auf den anderen Moment den Grund für den Angriff der Lupas. Wusste um die Welpen, die die Outlaws gestohlen hatten. Wusste, wo der Sack mit dem Wurf sich befand. Und wenn Baatle sie nicht erwischt hätte…
    Wahrscheinlich wären die Lupas mit ihren Kleinen abgezogen und es hätte für Feetch keinen Anlass mehr gegeben, Matt, Aruula und mich am Leben zu lassen.
    Mit dieser Einsicht begann Xij trübselig die Lederbänder ihrer Stiefel aufzuknoten. Die unkontrollierbaren Abstürze waren Segen und Fluch zugleich. Einerseits hatten sie Xij mehr als einmal vor dem sicheren Tod bewahrt, andererseits raubten sie ihr jedes Mal fast den Verstand. Nach jeder Vision, nach jedem Traum fühlte sich ihr Körper wie ein ausgewrungener Schwamm an und ihr Geist verwirrt wie der einer senilen Greisin.
    Das einzige Mittel, das sie wieder zu Kräften brachte, war das rote Pulver im eingenähten Beutel ihres Westensaums. Eine Mischung aus wilder Malve und getrockneten Cochenille (Schildläuse). Eine Prise davon färbte nicht nur ihre Zunge lila wie reife Brabeelen, sondern brachte Blut und Sinne in Wallung.
    Kid Lambert sei Dank , dachte sie wehmütig. Hätte nicht eins seiner Kinder damals unter Hyperaktivität gelitten, weshalb bei dessen Ernährung darauf geachtet wurde, keine Lebensmittel mit dem Zusatzstoff E120 zu verwenden, der das Kind noch lebhafter machte, wäre sie nie darauf gekommen, ebendiesen für sich selbst zu verwenden.
    Doch der Gedanke an ihren Rettungsanker stimmte Xij noch trübsinniger. Das Pulver ging langsam zur Neige. Während die wilde Malve an jedem Ort dieser Welt wuchs, lebten Cochenillen in entlegenen Gebieten Südamerikas. Nur auf den Märkten größerer Hafenstädte wurde das seltene Pulver gehandelt. Und solch eine Hafenstadt war noch fern. Ein Grund mehr, hier bald ihre Zelte abzubrechen.
    Ein weiterer waren ihre beiden Gefährten.
    Xij hatte sich inzwischen ihrer Stiefel und Hose entledigt und streifte jetzt gedankenverloren ihre Weste von den Schultern. Schon alleine das Wort Gefährten in ihren Gedanken zu bilden, fiel ihr schwer. Solange sie denken konnte, war sie als Einzelgängerin unterwegs gewesen. Hatte sich stets alleine durchgeschlagen, ohne dabei einen Gedanken an andere verschwenden zu müssen.
    Damit war es jetzt erst mal vorbei! Aruula und Matt Drax hatten ihr an der Nordostküste Schottlands das Leben gerettet und ihr eine Möglichkeit geboten, dem Bluthund ihres Onkels zu entkommen. Darüber hinaus gefiel ihr Drax' Gesellschaft, nicht zuletzt wegen der vielen Berührungspunkte, die es in seinem und ihrem Leben gab. Stammte er wirklich aus der Vergangenheit, wie sie vermutete?
    Ihr Blick fiel auf die Ausbeulung in der Seite ihrer Weste. Ein kleiner Beutel Schlafkraut-Samen verbarg sich darin. Schon gestern hatte sie diese gesammelt. Nachdem Baatle Matt Drax und die Barbarin mit Fußeisen an einen Pflock vor ihre Unterkunft ketten ließ. Ja, es wird Zeit , dachte Xij und zog sich das Hemd über den Kopf. Doch auf ein letztes gemeinsames Bad mit Feetch wollte sie nicht verzichten.
    Mit geschmeidigen Bewegungen schritt sie zum See. Bis seine Oberfläche ihre Knie bedeckte, watete sie hinein. Dann blieb sie stehen und warf einen Blick auf den Hundeführer, der in der Ferne am Ufer die jungen Lupas trainierte. Als Xij sicher war, dass er sie beobachtete, begann sie ihren schlanken Körper mit Wasser einzureiben. Als wäre es kostbares Öl,
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