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275 - Licht und Schatten

275 - Licht und Schatten

Titel: 275 - Licht und Schatten
Autoren: Jo Zybell
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Zügen.
    »Ich glaube euch«, sagte sie endlich. Und dann an alle gewandt: »Wir ziehen uns hinter die Festungsmauern zurück! Jeder nimmt nur das mit, was er tragen kann! Ein Bote läuft voraus und bringt der Königin Nachricht!«
    »Und wir halten die Angreifer auf, bis alle sich in Sicherheit gebracht haben!«, schrie der rauflustige Junge und reckte sein Schwert in den Morgenhimmel. »Mir nach, ihr jungen Helden der Dreizehn Inseln!«
    »Um Wudans willen, tut das nicht!« Aruula drängte sich durch die Menge, um den Heißsporn aufzuhalten, und packte ihn am Arm. »Ihr rennt in euer Verderben!«
    Doch der kräftige Bursche, dessen Verstand offenbar im umgekehrten Verhältnis zu seiner Muskelmasse stand, hörte überhaupt nicht zu, schüttelte Aruulas Hand ab und rannte los. Eine Handvoll ebenso junger Burschen folgte ihm. Zwei konnte Aruula packen, drei andere wurden von ihren Müttern und Großmüttern aufgehalten, wieder andere gehorchten widerstrebend dem erneuten Befehl Juneedas. Zwei Burschen jedoch waren dermaßen angesteckt von der Begeisterung des Heißsporns, dass sie sich nicht aufhalten ließen und mit blank gezogenen Klingen hinter ihm her aus der Siedlung und zum Strand stürmten.
    Alle anderen taten, was Aruula und Maddrax so dringend empfohlen hatten und was die Priesterin anordnete. Hastig schnürten sie das Nötigste in Bündeln zusammen, packten es samt ihrer kleinen Kinder auf ihre Wagen oder auf den Rücken ihrer Reenas und flohen aus der Siedlung nach Osten, wo kaum eine Wegstunde entfernt die Festung der Königin lag.
    Aruula und Maddrax schlossen sich der Nachhut der Flüchtenden an.
    »Hermon!«, rief auf einmal eine Frauenstimme hinter ihnen. Aruula drehte sich um. Die Gestalt Bahafaas kam aus einem Garten zwischen zwei Hütten. Sie rang die Hände, Tränen liefen ihr über das Gesicht. »Ich kann Hermon nicht finden! Habt ihr ihn irgendwo gesehen?«
    ***
    Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme…
    Bartolomé betete stumm, damit Mutter nicht merkte, wie widerwillig er ihren Befehlen gehorchte.
    Halb stand er, halb schwebte er im Ruderboot unter den sechs anderen und starrte auf die beiden versteinerten Männer. Einer schaukelte auf der hinteren Ruderbank hin und her wie ein Heiligenbild, das bei einer Prozession in einer Sänfte durch die Gassen getragen wurde; der andere hing wie eine umgekippte Statue halb auf dem Bootsrand und halb auf der vorderen Bank.
    Der Padre hatte es zu vermeiden gewusst, als Erster ins Fischerboot hinab zu schweben und einen der beiden Bedauernswerten zu berühren; dennoch zerwühlte Schuld seine Brust.
    ... dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden ...
    Alle verbliebenen acht Schatten hatte Mutter auf den Weg an den Strand geschickt: den Raubmörder Miguel Nuenzo, den Hundeführer El Cánido, den Spieler Don Alejandro de Javier, die Hure Garota, den Brudermörder Mateo Juan Vicente, den Totschläger Maxim und den Kapitän der Karavelle, Antonio Rodriguez.
    Und ihn selbst, den Dominikanermönch Bartolomé de Quintanilla. Der einzige Gläubige unter lauter gottlosen Sündern, unter lauter Sklaven des Dämons. War es nicht so?
    Alle acht sollten sie die Lebenskraft der Inselbewohner rauben und zu Mutter bringen, und vor allem sollten sie jene unter den Lebendigen auf der Insel jagen, die voll mit dem Glanz waren, der sie hergeführt hatte und nach dem der Teufel so gierte.
    Niemand griff zu den Rudern oder steuerte den kleinen Kahn - wie aus sich selbst bewegt, glitt er durch die Wogen, durch die Brandung. Leicht wie eine Feder setzte er schließlich auf dem Strand auf.
    Maxim sprang als Erster an Land, natürlich, wer sonst? Töten war für den ungeschlachten Hohlkopf längst zur Gewohnheit geworden. Die anderen folgten, stiegen über die armen Versteinerten hinweg und verließen das Boot.
    Padre Bartolomé blieb als Letzter zurück. Er starrte die versteinerten Fischer an. Harmlose Männer vermutlich; in irgendeiner Hütte hinter den Dünen würden Frauen und Kinder auf sie warten. Mochten es Heiden oder Christen gewesen sein? Bartolomé scheute davor zurück, seinen Fuß über einen der steinernen Toten zu heben.
    Unser tägliches Brot gib uns heute, und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern…
    Der Dämon verlangte, dass alle gemeinsam die Dünen überquerten. Dem Padre blieb keine Wahl, er stieg über die ersten Ermordeten hinweg aus dem Boot, schwebte über die Brandung hinter
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