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275 - Licht und Schatten

275 - Licht und Schatten

Titel: 275 - Licht und Schatten
Autoren: Jo Zybell
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ebenfalls zu schreien auf, wurde ganz steif und schlug mit der Brust auf dem Bootsrand und mit den Beinen auf der vorderen Ruderbank auf.
    Ein Krachen, als schlüge Stein auf Holz auf, hallte zu Aruula und Maddrax auf dem Dünenkamm. Jetzt schwankte der Kahn, und der Fischer lag starr und stumm. Sein Kopf ragte über den Bootsrand hinaus und knickte nicht ab.
    Maddrax rief jenen Gott an, dessen Namen er immer dann seufzte oder stöhnte, wenn er sonst nichts mehr zu sagen wusste vor Entsetzen: »Jesus!«
    Aruula aber fror auf einmal. Die Erinnerung an Bilder, die sie lieber vergessen hätte, schossen ihr wie Eishagel durchs Hirn. Traumbilder, die sie viele Monate zuvor in Königin Victorias krankem Verstand hatte sehen müssen. Bilder von schattenhaften Gestalten, die alles, was sie berührten, zu Stein verwandelten.
    »Das sind sie!« Maddrax sprang auf. »Das sind die Wesen, die Sir Leonard und seine Technos versteinert haben! Die Jenny und die Bewohner Corkaichs auf dem Gewissen haben!«
    »Ich habe sie gesehen«, flüsterte Aruula, »im Traum der Königin…«
    Auf dem Meer, vielleicht noch drei Speerwürfe vom Strand entfernt, sprang nun eine schattenhafte Gestalt nach der anderen hinunter in das Boot zu den versteinerten Fischern. Acht Gestalten insgesamt zählte Aruula schließlich.
    »Wie machen sie das…?« Der Schrecken hatte alle Kraft aus Aruulas Gliedern getrieben. »Sind das Orguudoos Dämonen?«
    »Wie auch immer, wer auch immer!« Maddrax packte sie am Arm. »Deine Leute sind in Gefahr!« Er deutete aufs Meer hinaus. Wie von unsichtbarer Hand bewegt, glitt das Ruderboot mit den acht Schattenwesen und den beiden versteinerten Fischern der Brandung entgegen. »Wir müssen die Menschen in der Siedlung und der Festung warnen!«
    Auf der anderen Seite der Düne sprangen sie ins Marschland hinunter und rannten zur Siedlung.
    ***
    Die Priesterin Juneeda hielt sich zufällig in der Siedlung auf. Begleitet von den Kriegerinnen Dykestraa und Arjeela besuchte sie an diesem Morgen eine Erstgebärende. Aus deren Hütte stürzte sie heraus, als sie das Palaver der Menschen hörte, die sich draußen zwischen den Hütten um Maddrax und Aruula drängten.
    »Ein fremdes Schiff!«, keuchte Maddrax.
    »Ein Geisterschiff!«, fügte Aruula an.
    Eine Gasse öffnete sich der Priesterin in der Menge, sie ging hindurch. Aschfahl war sie. »Was soll das heißen?«, fragte sie heiser, als sie vor Aruula stand. »Droht Gefahr?«
    Der Mann aus der Vergangenheit nickte knapp. Er kämpfte noch um Atem; offenbar waren die beiden gelaufen. »Es sind schattenhafte Gestalten an Bord - Wesen, die Menschen versteinern, wenn sie sie berühren! Ich habe dir und Lusaana von Guunsey und Corkaich erzählt. Ich bin sicher, dass diese Wesen die Menschen dort auf dem Gewissen haben. Und jetzt sind sie auf dem Weg hierher!«
    »Zu den Waffen!«, schrie jetzt ein junger Kerl, der etwas abseits stand und die Ohren spitzte. »Feinde landen am Strand!« Sofort scharten sich Kriegerinnen und weitere Männer um ihn.
    »Nein!«, rief Maddrax laut. »Es wäre euer Tod! Das sind keine Feinde, gegen die man mit Schwert und Bogen kämpfen könnte!«
    »Es sind Schattenwesen!«, ergänzte Aruula. »Hast du nicht zugehört? Wen sie berühren, der wird zu Stein! Zwei Fischer haben sie bereits versteinert!«
    Eine Frau und zwei Kinder fingen an zu klagen; vermutlich wussten sie ihren Gatten und Vater draußen auf dem morgendlichen Meer.
    »Ihr Segelschiff ist geradewegs in das Ruderboot der Fischer hineingefahren und hat es durchdrungen, als bestünde es aus Nebel«, erklärte Maddrax. »Dann sprangen sie an Bord. Die Männer sind in dem Augenblick zu Stein erstarrt, als die Fremden sie berührten.«
    »Wer ein Ruderboot entern kann, der muss auch einen Kopf haben, den man ihm abschlagen kann!« Der kampfeslustige Jüngling riss sein Schwert aus der Rückenscheide, ein Dutzend andere taten es ihm gleich und stimmten Kampfgeschrei an.
    »Ruhe!«, herrschte Aruula sie an. Und dann an die Priesterin gewandt: »Du darfst nicht zulassen, dass irgendeiner von uns in sein Verderben läuft! Ich flehe dich an, Juneeda - lass die Siedlung räumen! Befiehl allen, sich in der Festung in Sicherheit zu bringen!«
    Im ebenmäßigen, schmalen Gesicht der Priesterin zuckte es. Silbrige Strähnen durchzogen Juneedas langes dunkelrotes Haar. Trotz ihres vorgerückten Alters war sie noch immer eine schöne Frau. Stolz und Unbeugsamkeit lagen in ihrer Haltung und in ihren
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