Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
272 - Dieser Hunger nach Leben

272 - Dieser Hunger nach Leben

Titel: 272 - Dieser Hunger nach Leben
Autoren: Christian Schwarz
Vom Netzwerk:
Dutzend bereits zu Stein erstarrt.
    Bartolomé und Higuemota liefen dagegen zwischen den Dörflern hindurch, obwohl viele von ihnen Spuren des Glanzes an sich trugen, meist an den Händen oder Armen. Das Ziel der beiden Schatten war das Haus, in dem die Quelle des strahlenden Glanzes leuchtete wie ein Fanal.
    Neben dem Gebäude erstreckte sich eine Koppel mit einigen Schafen und einem Hund. Bartolomé bemerkte ein Mädchen, das sich dort aufhielt. Es hatte viel von dem Glanz an ihrem ganzen Körper, war aber nicht die Quelle.
    Auch Higuemota wurde auf die Kleine aufmerksam. »Holen wir sie uns!«, raunte sie ihm zu.
    Ein unschuldiges Kind? Der Dominikanermönch zögerte, gefangen im Zwiespalt zwischen seinem Gewissen und dem unstillbaren Hunger nach Energie. Obwohl auch sein christlicher Glauben nur noch eine Erinnerung an sein früheres Leben war, konnte er ihn nicht leugnen. Und dieser Glaube sagte ihm, dass es falsch war, sich an der Seele des Kindes zu vergreifen.
    Eine unerwartete Entwicklung nahm ihm die Entscheidung ab.
    Plötzlich tauchte ein hagerer, abgerissener Mann bei dem Mädchen auf. Er starrte zu ihnen herüber, dann packte er die Kleine, fuhr herum und rannte davon, als wäre el diablo selbst hinter ihm her.
    Sind wir das nicht auch , ging es Bartolomé durch den Sinn: die Diener des Teufels?
     
    Auch Pieroo, einst ein Barbarenfürst aus den Wäldern rings um Laabsisch(Leipzig; siehe MADDRAX 10: »Götter und Barbaren«), doch seit langen Jahren der Gefährte der Frau aus der Vergangenheit, wurde völlig unvorbereitet von den Geschehnissen überrascht. Gerade hatte er zwei Halbwüchsige erwischt, die an einer Hausfassade kauerten und stinkende Fischkadaver durchs offene Fenster in das dahinter liegende Schlafzimmer werfen wollten.
    Pieroo wusste genau, warum die beiden diesen Streich ausgeheckt hatten. Maite, die in diesem Zimmer schlief, hatte den einen der Jungen ausgelacht, nachdem er ihr seine Liebe gestanden hatte.
    Pieroo kam gerade zurecht, um diesen Racheakt zu verhindern. Er wollte den beiden eine Standpauke halten, als die Augen des einen Jungen plötzlich groß wurden und er an ihm vorbei starrte. Da gleichzeitig die Hunde zu bellen und die Shiips zu blöken begannen, wusste Pieroo sofort, dass es kein Ablenkungsmanöver war.
    Er fuhr herum. Gefahr!
    Instinktiv langte er nach seiner Streitaxt und zog sie aus dem Gürtel. Gleichzeitig glaubte er in der Dämmerung des verlöschenden Tages zwei schwarze Schatten auszumachen, die auf ihn und die beiden Jungs zukamen.
    Was bei Orguudoo ist das? Pieroo lief es eiskalt über den Rücken. Menschliche Schatten! Der linke schien ein Mann zu sein; der größte, den Pieroo, der selbst fast zwei Meter maß, je gesehen hatte. Neben ihm ging eine wunderschöne Frau im langen Kleid. Und beide waren Geister! Wie sonst war es zu erklären, dass Pieroo durch sie hindurchsehen konnte wie durch einen Nebelhauch?
    Geister aus Orguudoos Tiefe, ohne Zweifel!
    Als die Jungen hinter ihm zu schreien begannen, hob Pieroo sein Beil, entschlossen, sie und sich bis zum letzten Atemzug zu verteidigen.
    Der kam schneller, als ihm lieb war. Als der Barbar seine Streitaxt gegen den riesigen Kerl führte, ging der Schlag durch diesen hindurch. Gleichzeitig spürte Pieroo einen eiskalten Hauch, der ihn erstarren ließ. Als der Riese ihn berührte, floss die Kälte auch in sein Inneres.
    Das Letzte, was Pieroo sah, war das Schicksal der beiden Jungen. Die Geisterfrau vertrat ihnen den Weg, als sie in Panik flüchten wollten, und berührte sie. Dass sie zu Stein erstarrten, nahmen Pieroos versteinerte Augäpfel schon nicht mehr wahr…
     
    Währenddessen hatten Bartolomé de Quintanilla und Higuemota das Haus betreten, aus dem der gleißende Glanz drang.
    Eine junge blonde Frau, die im Licht einer Kerze in ein Buch geschrieben hatte, blickte auf, als sie ihrer gewahr wurde. Der Schock verzerrte ihr hübsches Gesicht und lähmte ihre Beine. Der Glanz, der von ihr ausging, blendete die beiden Schatten. Nie zuvor hatten sie eine solche Intensität gesehen. Kein Wunder, dass Mutter nach dieser Kraft gierte.
    »Berühre sie«, drängte Higuemota. »Nimm ihren Glanz, mein Geliebter. Damit ich mit dir existieren kann.«
    »Nein…« Etwas in dem Dominikanermönch sträubte sich dagegen, ein weiteres Leben zu nehmen, dieser jungen Frau die Seele zu rauben.
    »Tu es, ich bitte dich«, drang Higuemotas Stimme in sein Bewusstsein. »Für dich und mich.« Sie blickte ihn an, und ihm war,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher