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2666

2666

Titel: 2666
Autoren: Roberto Bolaño
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niemand erinnert sich mehr an den Botaniker Fürst Pückler, niemand mehr an den vorbildlichen Gartenbaumeister Fürst Pückler, niemand hat den Schriftsteller gelesen. Aber jeder hat irgendwann in seinem Leben ein Fürst-Pückler-Eis gegessen, besonders im Frühjahr und im Herbst eine reizvolle und schmackhafte Sache.«
    »Warum nicht im Sommer?«, fragte Archimboldi.
    »Weil es im Sommer immer etwas eklig ist. Für den Sommer eignet sich Wassereis besser als Milcheis.«
    Plötzlich gingen im Park die Lichter an, wobei für eine Sekunde totale Finsternis herrschte, als hätte jemand einen schwarzen Mantel über einige Viertel von Hamburg gebreitet.
    Der ältere Herr seufzte, er musste um die Siebzig sein, und sagte dann:
    »Ein äußerst rätselhaftes Vermächtnis, finden Sie nicht?«
    »Doch, ja, das finde ich allerdings«, sagte Archimboldi, während er sich erhob und den Nachfahren Fürst Pücklers zum Abschied grüßte.
    Kurz darauf verließ er den Park und flog am nächsten Morgen nach Mexiko.

Anmerkung zur spanischen Erstausgabe
    2666 erschien erstmalig postum, ein gutes Jahr nach dem Tod des Autors. Die Frage ist also berechtigt, inwieweit der Text, den der Leser in Händen hält, dem entspricht, was Bolaño veröffentlicht hätte, wenn ihm mehr Zeit geblieben wäre. Die Antwort fällt beruhigend aus: Der Roman, den Bolaño hinterließ, als er starb, hatte das ihm vorgezeichnete Ziel bereits annähernd erreicht. Zweifellos hätte Bolaño noch länger an ihm gearbeitet; aber nur wenige Monate mehr: Er selbst erklärte, kurz vor dem Abschluss zu stehen, die Frist, die er sich selbst für die Fertigstellung gesetzt hatte, war schon weit überschritten. Jedenfalls lagen keineswegs nur die Fundamente, vielmehr stand bereits das gesamte Gebäude des Romans; seine Umrisse, seine Ausmaße, sein Inhalt hätten sich im Großen und Ganzen von seiner jetzigen Form nicht sehr unterschieden.
    Bei Bolaños Tod hieß es, das gewaltige Projekt 2666 sei - entsprechend der Gliederung des Werks in fünf Teile - in eine Folge von fünf Romanen gebracht worden. Es stimmt, dass Bolaño in den letzten Monaten seines Lebens, als er immer weniger daran glaubte, sein ursprüngliches Projekt noch vollenden zu können, auf diesem Plan bestanden hatte. Man muss allerdings erwähnen, dass es praktische Erwägungen waren (nie Bolaños Stärke übrigens), die den Ausschlag dafür gaben: Angesichts der immer wahrscheinlicheren Möglichkeit seines nahe bevorstehenden Todes erschien es Bolaño praktikabler und rentabler, seinen Verlegern und seinen Erben fünf eigenständige Romane von kurzem bis mittlerem Umfang zu hinterlassen statt eines einzigen, der jedes Maß sprengte und obendrein nicht ganz vollendet war.
    Nach intensiver Durchsicht des Textes jedoch scheint es vorteilhafter, den Roman als Einheit zu belassen. Obwohl man alle fünf Teile auch unabhängig voneinander lesen kann, sind sie doch, abgesehen von vielen gemeinsamen Elementen (einem fein gewobenen Netz wiederkehrender Motive), eindeutig Teil eines gemeinsamen Entwurfs. Man braucht sich nicht die Mühe zu machen, seine relativ offene Struktur eigens zu rechtfertigen, zumal angesichts eines Vorgängers wie Die wilden Detektive. Hätte dieser Roman, wäre er postum veröffentlicht worden, nicht ebenso wilde Spekulationen hinsichtlich seiner vermeintlichen Unabgeschlossenheit aufgeworfen?
    Eine weitere Überlegung floss in die Entscheidung ein, alle fünf Teile zunächst gemeinsam zu veröffentlichen - womit nicht ausgeschlossen ist, sie später, wenn der einheitliche Rahmen ihrer Lektüre erst einmal etabliert ist, auch gesondert oder in Kombinationen zu veröffentlichen, die die offene Struktur des Romans erlaubt oder sogar nahe legt. Bolaño, auch als Erzähler und Autor vieler meisterhafter Novellen brillant, hat, nachdem die Arbeit an 2666 in Gang gekommen war, nie einen Hehl daraus gemacht, sich hier auf ein kolossales Projekt eingelassen zu haben, das in Anspruch und Dimension Die wilden Detektive weit hinter sich lassen würde. Die Bedeutung von 2666 ist nicht zu trennen vom ursprünglichen Entwurf aller seiner Teile und zeigt sich insbesondere in der Risikobereitschaft und dem schier aberwitzigen Totalitätsanspruch, die den Roman beseelen. In dieser Hinsicht sollte man vielleicht an eine Stelle in 2666 erinnern, wo Amalfitano, eine der Hauptfiguren des Romans, nach einer Unterhaltung mit einem lesehungrigen Apotheker mit unverhohlener Enttäuschung darüber räsoniert,
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