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263 - Von Menschen und Echsen

263 - Von Menschen und Echsen

Titel: 263 - Von Menschen und Echsen
Autoren: Michael M. Thurner
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Denn ihr Elnak war ein Wesen, das das Licht zwischen den Bäumen spann. Wie er sie schützte, so schützte er auch die kleinen, hungrigen Nager im Geäst des Waldes.
    ***
    »Vorwärts. Seitlich wegducken. In der Körperspannung niemals nachlassen. Den Gegner im Auge behalten. Und zurück in die Grundstellung; alles nochmals von vorne!« Dykestraas Stimme hallte über den Übungsplatz. Die kleine quirlige Frau hüpfte von einem Kampfpärchen zum nächsten, veränderte die Arm- oder Beinhaltung ihrer Schüler, gab Ratschläge - und teilte mitunter Knüffe aus, wenn ihr etwas nicht gefiel.
    »Was ist los mit dir, Bahafaa? Brennen die Oberschenkel? Ja? Oder knurrt dir etwa der Magen? Keine Sorge, es geht bald an die Futtertröge!«
    Bahafaa ignorierte tunlichst das Gekicher ringsum. Sie war zeit ihres Lebens das Ziel von Hohn und Spott gewesen. Ob sie nun zu viel Gewicht auf den Hüften trug oder ob man sie wegen ihrer Ungeschicklichkeit im Umgang mit dem Schwert verunglimpfte - sie hatte sich längst daran gewöhnt.
    Trotz der Kälte schwitzte sie. Die Fellhaut ihres Oberteils dampfte, sie konnte ihren eigenen säuerlichen Körpergeruch wahrnehmen.
    Dykestraa drehte sich beiseite und kümmerte sich um ein anderes Paar. Brythuula, ihr Gegenüber, nutzte die Gelegenheit: Sie änderte den Übungsrhythmus, setzte eine Finte, tat einen Halbschritt zurück, ließ die Waffe gleich darauf wieder vorstoßen - und klopfte Bahafaa kräftig gegen das linke Knie.
    Bahafaa stöhnte unterdrückt auf und vermied es, mit den Beinen einzuknicken. Nur ja keine Schwäche zeigen, nur ja nicht aus der Reihe tanzen…
    »Ist was, Bahafaa?« Dykestraa musste ihr Ächzen gehört haben. Sie drehte sich um und kehrte zurück. Die Erste Kriegerin musterte sie mit misstrauischen Blicken.
    »Alles in Ordnung«, brachte Bahafaa schwer atmend hervor. »Ich bin umgeknickt. Ein ungeschickter Schritt…«
    »Wie immer.« Dykestraa legte die Stirn in Runzeln. »Ich habe niemals zuvor eine Frau gesehen, die ihren Körper so mangelhaft unter Kontrolle hat wie du.« Sie schüttelte den Kopf. »Es ist hoffnungslos mit dir.«
    »Ja, Kriegerin.«
    Brythuulas Grinsen wurde breit und breiter. Die Frau, kaum siebzehn Winter alt und damit bedeutend jünger als sie, war von einfachem Gemüt. Sie würde einmal eine ausgezeichnete Jägerin abgeben - und eine tolle Gespielin für jene Männer, die auf oberflächliche Weibsbilder standen. Doch wahre Größe wie die Königin und die Schamanin würde sie niemals erreichen.
    Die Kampfeinheiten zogen sich schier endlos dahin. Die Pärchen wurden neu zusammengestellt und getrennt, die Zweikämpfe mit den stumpfen Übungsschwertern von Taktikgesprächen und Messerwurfübungen abgelöst.
    Als die Sonne ihren höchsten Punkt erreichte, mussten sie alle um einen Platz in der Reihe bei der Essensausgabe ringen - und damit um die besseren Teile des Fleischsuds. War es Zufall, dass Bahafaa ausgerechnet der Grinsende Svaan zugeteilt wurde, dessen Hirnmasse gerüchteweise in eine Nussschale passte, der aber Kräfte wie ein Wakudabulle besaß?
    Unter allgemeinem Gelächter warf sich der stämmige Mann auf sie und drückte sie mit seiner schieren Körpermasse zu Boden. Bahafaa starrte in ein zernarbtes Gesicht. Es wurde von Schnittwunden in den Mundwinkeln beherrscht, das ihm jenen debilen, dauerlächelnden Ausdruck gab, dem er seinen Spitznamen verdankte.
    »Ist wohl lange her, dass sich jemand über dich geworfen hat, meine Schöne!«, grölte Svaan. Er roch widerlich. Nach Alk, den er gestern wohl in großen Mengen genossen hatte.
    Bahafaa wälzte sich hin und her, hin und her. Sie fühlte sich erdrückt, gedemütigt. Warum half ihr niemand? Warum standen all die Frauen und Männer rings um sie, begafften die Szene und unternahmen nichts? Was hatte sie ihnen getan?
    Svaans Lust und Geilheit waren nicht mehr zu übersehen - und gut zu spüren. Wollte er sie nehmen wie ein Stück Vieh, hier, vor all den anderen waffenfähigen Dorfbewohnern? Panik erfasste sie, vermengt mit unbändigem Zorn. Wenn sie doch nur stärker gewesen wäre, wenn sie doch nur irgendetwas besessen oder gewusst hätte, das sie in der Achtung ihrer Kameraden hätte steigen lassen…
    »Aus jetzt!« Bahafaa fühlte sich vom Gewicht des Grinsenden Svaan befreit. Dykestraa stand breitbeinig über ihr. Die Oberschenkelmuskeln der so kompakt gebauten Ersten Kriegerin spannten sich an, mit einem Ruck schleuderte sie den Mann beiseite. Er krachte gegen einen Lattenzaun,
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