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261 - Ein falscher Engel

261 - Ein falscher Engel

Titel: 261 - Ein falscher Engel
Autoren: Christian Schwarz
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inzwischen den Asphalt verschönern. Die Bande ist restlos tot. Es hat sich nur um Minuten gehandelt. Hier und da sind die Rückstände ein wenig klumpig. Die Fremden (das Militär?) hat die Leichen mitgenommen. Eine Seuche können wir nicht gebrauchen. Ich spüre ein Kribbeln in meinen Fingern. Ich habe keine Angst, ganz im Gegenteil. Der Kampf hat mich erregt, schon lange konnte mich nichts mehr in Erregung versetzen.
    Ich balle die Hände zu Fäusten, versuche das zu unterdrücken, was in mir hoch kommt. Erinnerungen. Wünsche. Sehnsüchte. Das Gefühl von Stahl in der Hand. Die Schreie von sterbenden Menschen. Das Adrenalin einer Schlacht. Das trockene Blut auf meiner Haut. Die Spritzer, die mein Gesicht erreichen. Der Totentanz des Wahnsinns. Das Funktionieren ohne Denken.
    Ich reiße den Kopf weg und starre in den roten Himmel. Betrachte einen Augenblick den Wolkenstrudel über mir, der sich träge immer weiter dem Universum entgegen dreht. Mein Herzschlag beschleunigt sich immer mehr. Ich muss –Ich spüre sie eher, als dass ich sie sehe. Sie ist eine der Fremden.
    Sie greift mich an. Ich weiche aus. Meine Muskeln reagieren vor meinem Denken. Reißen mich herum, auf den Boden, nach oben, nach links, rechts herum, im Kreis, nach hinten, Überschlag. Mein Körper protestiert, doch mein Kopf kann nun nicht mehr anhalten.
    Schlag auf Schlag, Tritt, weg, abgefangen, kassiert. Ich keuche. Sie nicht. Ich zittere, sie nicht. Meine Deckung bricht zusammen, der Schlag sitzt. Dunkelheit.
    ***
    Als ich erwache, ist die Welt schwarz. Wir haben Nacht und ich liege draußen alleine. Der Untergrund ist hart. Sie ist verschwunden.
    Ich taste auf dem Boden herum. Keine Nässe; zumindest scheine ich nicht zu bluten. Verschiedene Herde des Schmerzes flammen in meinem Körper auf. Meine Finger stoßen auf Papier. Eine Seltenheit.
    Langsam gewöhnen sich meine Augen an die Umgebung. Ein rötlicher Vollmond spendet schwaches Licht. Ich halte das Papier dicht vor meine Augen. Ich kann nur einen paar Zeichen erkennen, es ist ein einfacher Code. Ich soll ihn brechen können. Es ist ein Lageplan.
    Ich soll zu ihr kommen. Ich lasse die Hand, die den Plan hält, sinken, starre ins Nichts.
    Ich brauche drei Tage, um eine Entscheidung zu treffen, drei endlose Tage, in denen mich immer mehr die Geister meiner Vergangenheit einholen. Sehe die toten Gesichter meiner Freunde. Sehe das Sterben auf den Schlachtfeldern der Kriege. Sehe mich selbst im Blut baden. Manchmal frage ich mich, ob das alles in einem anderen Leben war. Dann schaue ich nach draußen in den endlosen roten Himmel und weiß, die Zeit liegt nicht allzu weit zurück. Ich werfe meine Sachen in einen mehrfach geflickten Rucksack und gehe, ohne mich noch einmal umzuschauen. Warum sollte ich auch?
    ***
    Ich brauche Stunden, um das Militärlager zu erreichen. Es liegt ein gutes Stück außerhalb der ehemaligen Stadtgrenzen. Nicht, dass es heute noch eine Bedeutung hat, aber bestimmte Denkweisen lassen sich nur schwer überwinden. Am Eingang werde ich von zwei Wachposten aufgehalten. Sie schauen grimmig, doch sie wirken entspannt.
    Als Antwort auf ihre unausgesprochene Frage halte ich nur den Zettel hin, sie nicken und lassen mich durch. Sie wenden mir den Rücken zu, ich wurde also als ungefährlich eingestuft. Warum auch nicht? Ich bin abgemagert, erschöpft, und meine Kleidung ist zerschlissen.
    Ich seufze und schaue mich suchend um. Ich muss entweder den Lagerkommandanten oder die Person finden, die mir den Zettel gegeben hat. Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, das es ein und dieselbe Person sein wird. Als ich mich umblicke, stelle ich zuerst fest, dass das Lager lebt. Es summt regelrecht. Soldaten rennen hin und her, bauen auf, räumen um, laden ab, reden, schreien, rufen und lachen. Lachen. Ein Laut, hier so unbeschwert, wie ich ihn lange nicht mehr vernommen habe. Ich schaue genauer hin – und wirklich, nicht nur die Wachposten wirken entspannt, sondern auch die Soldaten um mich herum. Sie tragen ihre Waffen bei sich und manch einer hat diesen Schatten in den Augen, und doch – es fehlt die Anspannung des Krieges. Ich habe Angst davor, was das bedeuten könnte.
    Ich brauche nicht lange, um die Grundstruktur des Lagers zu erkennen; es ist fast immer die gleiche, nur die Details weichen von Lager zu Lager ab. Bald stehe ich vor dem größten Zelt. Die Wachen mustern mich, wieder halte ich den Zettel hin, eine der Wachen nimmt ihn mir ab und betritt das Zelt. Ich
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