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2592 - Im Zeitspeer

2592 - Im Zeitspeer

Titel: 2592 - Im Zeitspeer
Autoren: Leo Lukas
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einem Barbakan wäre er zufrieden gewesen.
    Aber nein, keine müde Seele. Nichts als Sand und Spinnweben.
    Damit musste Tifflor sich abfinden: Auf diesem Horrortrip gab es für ihn keine Entspannung. Permanent lastete übermenschlicher Zeitdruck auf ihm, der in den kurzen Phasen außerhalb des Jahrmillionentunnels ins extreme Gegenteil umschlug.
    Er hätte nicht übel Lust gehabt, mit seinem Sturmgewehr eine Salve nach der anderen auf die monströsen Gespinste abzugeben. Aber das wäre sinnlos gewesen und ein Indiz dafür, dass sein Verstand bereits gelitten hatte.
    Stattdessen aktivierte er den Perianth-Detektor.
    Bei dem dünnen Armband handelte es sich wohl um ein hoch spezialisiertes, auf Mikro- und Nanotechnologie basierendes Ortungsgerät. Vermutlich nahm es selbsttätig Verbindung zu allen erreichbaren Kommunikationskanälen und Datenspeichern auf.
    Dann filterte es die für einen Überblick nötigen Informationen heraus. Der miniaturisierte Rechner erstellte schematische Darstellungen und brachte die aufgefangenen Emissionen des Perianth-Schlüssels damit in Deckung.
    Etwa so stellte Tiff sich vor, dass es funktionierte. Wenn es funktionierte.
    *
    O Wunder, er hatte ausnahmsweise einmal Glück.
    Holografien bauten sich auf. Mittels der Fingerbewegungen, die ihm Duleymon beigebracht hatte - vor wenigen Jahrhunderttausenden -, navigierte er durch die virtuellen Ebenen.
    Wenn er die Maßstäbe richtig interpretierte, trennten ihn von dem in diesem Zeitkorn hinterlegten Schlüssel etwa siebzig Kilometer. Das war hin und zurück in weniger als 62 Stunden zu schaffen. Falls ihm nichts oder niemand dazwischenkam.
    Julian Tifflor ging los. Besser gesagt: Er ging weiter.
    Allerdings fiel ihm das Gehen ungleich schwerer als im Jahrmillionentunnel. Seine Stiefel sanken im lockeren Sand ein. Nach jedem Schritt rutschte er ein Stückchen zurück.
    Es war heiß in der Wüste der Gespinste. Bald klebte Tiffs Montur an seinem Körper. Selbst die Luft, die er einatmete, erschien ihm widerlich warm, süßlich und klebrig.
    In absehbarer Zeit würden Durst und Hunger auftreten. Daran erinnerte er sich noch vage. Es wäre günstig, wenn er etwas zu essen fände, vor allem etwas zu trinken.
    Wie lange kam ein menschlicher Körper ohne Wasser aus, bevor er bleibende gesundheitliche Schäden davontrug?
    Interessante Frage.
    Die gebäudeartigen Strukturen, die das Kartenmaterial des Detektor-Armbands verzeichnete, erwiesen sich als eine Stadt aus Spinnweben.
    Selten hatte Tifflor etwas ästhetisch Beeindruckenderes und zugleich Trostloseres gesehen als diese grauen, schlanken, zittrigen Türme. In großer Höhe spannten sich Brücken zwischen ihnen wie Gazeschleier. Aber nichts bewegte sich darauf, kein Fahrzeug, kein Lebewesen oder Roboter.
    Niemand guckte aus den leeren Fensterhöhlen. Wind strich hindurch und erzeugte Geräusche wie von hundert hohen, verstimmten Äolsharfen.
    Am Boden lag gelber Sand, knöcheltief, glatt und unberührt. Es gab keine Fahrrillen oder Abdrücke irgendwelcher Landestützen, keine Fußspuren außer jenen, die Tifflor hinterließ.
    Auch sie würden bald wieder verweht sein.
    Dem Signal des Perianth-Schlüssels folgend, erklomm Tiff eine lang gezogene Rampe, die zum mächtigsten der wie aus grauen Bartzöpfen gewebten Türme führte. Dessen Grundriss hatte die Form eines unregelmäßigen Fünfecks, bei einem größten Durchmesser von gut vierzig Metern. Die Umrahmung des offenen Portals spiegelte dieselben Proportionen, verkleinert um einen Faktor von etwa sieben, wider.
    Tifflor nahm das Sturmgewehr vom Rücken. Er traute der Ödnis nicht.
    Mit schussbereit vor sich gehaltenem Lauf trat er ein.
    *
    Die Intensität der flüsternden, knapp unter der Hörgrenze dahinsirrenden Geräusche steigerte sich. Irritierende Schatten in verschiedenen Graustufen, die einander kreuz und quer überlagerten, beeinträchtigten die Sicht.
    Tiff sprang von einer Spinnwebsäule zur anderen, immer wieder sichernd, und kam sich dabei furchtbar lächerlich vor. Da war kein Feind, auf den er feuern hätte können, sosehr ihn der Finger am Abzug juckte.
    Im Zentrum des Erdgeschosses klaffte ein Loch, das einmal eine Zisterne gewesen sein mochte. Selbst wenn dieser Brunnen jemals Wasser gefördert hatte - gelber Sand füllte den Schacht bis zum Rand.
    Prompt fühlte sich Tifflors Kehle noch trockener an als zuvor.
    Er rief die holografische Karte des Detektors ab. Das Zielsignal war ganz nah, fast identisch mit seiner eigenen
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