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258 - Chronik des Verderbens

258 - Chronik des Verderbens

Titel: 258 - Chronik des Verderbens
Autoren: Michelle Stern
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Schockstab dicht über einem der Krakenarme an, dort wo das Hirn des Armes sitzen musste, und löste ihn aus.
    Eine kurze elektrische Brücke bildete sich, das Wasser zischte und brodelte erneut. Ein dünner Blitz fuhr in den Körper des Kraken, der die Hydritin und das Kind tatsächlich losließ und zurückzuckte. Seine dunkle Farbe veränderte sich, wurde zu einem helleren Rotbraun. Nervöse Farbenspiele in Beige zuckten darüber. Der Krake zitterte am ganzen Leib in Krämpfen. Er schlug mit den Tentakeln unkontrolliert um sich.
    Auch Tel'mars Körper zuckte leicht. Glücklicherweise war die Schuppenhaut der Hydriten weniger leitfähig als das weiche Gewebe des Kraken.
    Pozai'don schwamm zu der Hydritin und schoss dabei erneut. Der Krake floh. Er schraubte sich in die Höhe, den Kopf voran. Pozai'don kannte sein Ziel: Das Tier wollte zur Abraumhöhle neben der Stadt. Von dort aus jagte es seit einigen Wochen und griff vor allem die Stadtbewohner an. Als sei es von einem tiefen Hass auf alle Hydriten durchdrungen.
    »Ast'ok!« Tel'mars Klackern erstickte.
    Das Kind sah bleich aus, die lidlosen Augen waren starr. Doch die Kiemenblätter an seinem hinteren Halsbereich hoben und senkten sich noch, wenn auch nur schwach.
    »Zur Krankenstation! Kannst du schwimmen?« Pozai'don ergriff ihren Arm.
    Tel'mars Flossenkamm verfärbte sich leicht, ein Zeichen ihrer Zustimmung. Vermutlich spürt sie gar nicht, wie sehr die Umklammerung des Kraken ihr zugesetzt hat , dachte Pozai'don. Sie ist viel zu beschäftigt mit dem kleinen Ast'ok.
    Er half der Hydritin mit einem Arm, während er in der anderen Hand wachsam den Schockstab hielt. Seine Blicke wanderten in Richtung der Abraumhöhle. Kraken waren nachtragend.
    Das ist schon der vierte Angriff. Verfluchtes Vieh! Zu schade, dass ich es nicht töten konnte. Aber ich bekomme schon meine Gelegenheit. Je früher, desto besser.
    ***
    »Wo machen wir als nächstes weiter? Bei den Hornkammkorallen oder bei den Blauseegras-Stauden?« Der junge Hydrit, dessen Rücken seltsam verkrümmt war, sah freudestrahlend zu Vogler auf.
    Der Marsianer ertappte sich dabei, dass er in den letzten Minuten gar nicht gearbeitet hatte. Mit dem kugelförmigen Sprühgerät in der Hand, das er selbst entwickelt hatte, stand er in einer Kolonie von dunkelroten Seegraspflanzen mit kelchartigen Blütenköpfen. Er starrte nachdenklich auf einen violettgelben Clownfisch, eine Züchtung der alten Hydriten von Gilam'esh'gad.
    Wie lange war es her, dass er gemeinsam mit Clarice Braxton und Matthew Drax den Mars verlassen hatte? Er hatte sich freiwillig für die Teilnahme an dieser Expedition gemeldet. Sein Meister Windtänzer hatte ihm vorausgesagt, dass er eine wichtige Aufgabe vor sich habe, die für die gesamte Menschheit von Bedeutung sei. Deshalb hatte er den Mars hinter sich gelassen. Er und Clarice waren auf der Erde von Matt getrennt worden, hatten aber in dem Fischmenschen Quart'ol einen neuen Verbündeten und Freund gefunden.
    Zusammen mit Quart'ol waren sie aufgebrochen, die Stadt Gilam'esh'gad zu besuchen. Damals hatten sie nicht gewusst, dass dort noch immer Hydriten im Verborgenen lebten. Die Stadt galt als tot, ihre Lage war geheim. Angeblich war sie seit Hydritengedenken verlassen.
    Auch das war ein Grund, warum die kleine Gruppe ursprünglich hierher aufgebrochen war: Quart'ol musste sich vor dem Gilam'esh-Bund verstecken. Die geheime Organisation, die sich als Wächter über die Chronik der Hydriten verstand, trachtete nach seinem Leben, seitdem der Hydrit gefährliches Wissen erlangt hatte. Zum Beispiel, dass die Urhydriten, die Hydree, vom Mars stammten und somit auf der Erde nur zu Gast waren. Und dass sie in der Vergangenheit keineswegs die friedlichen, klugen Geschöpfe gewesen waren, als die sie sich heute gaben; im Gegenteil. Damals - vor Tausenden von Jahren - waren Waffen von ihnen entwickelt und gegen die eigenen Brüder angewendet worden, gegen die sich die Atombomben der angeblich barbarischen Menschen harmlos ausnahmen. Die Opfer, die fünf schreckliche Kriege gefordert hatten, gingen in die Hunderttausende.
    Dieses Wissen hatten lange Zeit außer Quart'ol und Matthew Drax nur die dreizehn Mitglieder des Bundes besessen, und die hielten es sorgsam unter Verschluss. Inzwischen wussten auch Vogler, Clarice, der Seher Yann Haggard und die Hydritin E'fah Bescheid; Gilam'esh und Pozai'don II. sowieso.
    Sollte diese Chronik außerhalb Gilam'esh'gads publik werden, so befürchtete der Bund,
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