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257 - Die Spur der Schatten

257 - Die Spur der Schatten

Titel: 257 - Die Spur der Schatten
Autoren: Jo Zybell
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war, um in den Krieg gegen Außerirdische zu ziehen, war nicht mehr derselbe, der jetzt der Westküste Britanas entgegen wankte. Buck war tot, der Buggy verloren, und seine geliebte Waffe funktionierte auch nicht mehr. Keine Schlacht, in der man sich Lorbeeren und Orden verdienen konnte. Und nur noch drei Monate, dann würde auch das Serum in Georgieboys Beutel zur Neige gehen. Und dann? Was sollte sein Leben dann noch?
    »Jenny«, murmelte er. Die göttliche Frau schien ihm die einzige Hoffnung zu sein, die ihm geblieben war.
    Als man ihn Wochen später in der Nähe eines Fischerdorfes fand, rief er nicht mehr nach Jenny; da rief er nach seiner Mutter. Er fieberte, hatte eine Lungenentzündung, und man brachte ihn zu einer alten Heilerin unten am Hafen. Die nahm ihm Stiefel, Schwert und Tornister samt Inhalt ab - als Preis für die Behandlung.
    Seine Kleider und das nutzlose schwarze Ding mit der Kugel über dem Kolben versprach sie dem Totengräber.
    ***
    Jennifer Jensens Tagebuch
    Wir bewohnen eine große Hütte, fast so groß wie ein Haus. Wir besitzen schon dreizehn Schafe, und Pieroo hat die Felle von drei Wakudastieren gegen ein kleines Ruderboot eingetauscht. Wir können Feuer machen, wir haben ein Dach über dem Kopf! Wir können kochen, Wolle spinnen, Kleider weben und uns ohne Angst zum Schlafen niederlegen.
    Sind wir nicht im Paradies angekommen? War ich je so glücklich? Ich kann mich nicht erinnern. Du jedenfalls bist so fröhlich und unbeschwert, wie ein Kind nur sein kann.
    Vor vier Monaten, kurz vor Wintereinbruch, verließen wir das Schiff, das uns von England herüber nach Irland gebracht hat. Dem Kapitän und den Matrosen hatte mein Essen so gut geschmeckt, dass sie uns anfangs gar nicht gehen lassen wollten. Pieroo musste sehr energisch werden, sonst hätten sie uns nicht vom Schiff gelassen.
    Dir haben die Landschaft und das Dorf an der Küste von Anfang an gefallen. Meine geliebte Ann! Wie du dich gefreut hast, wie du am Strand entlang getollt, wie du durch die Wiesen gesprungen bist!
    Von Anfang an begegneten uns nur freundliche Menschen. Jaims zum Beispiel. Ein Riese von einem Mann mit langem dunklen Bart. Wir waren kaum an Land gegangen, da kam er schon auf uns zu und streckte Pieroo die gewaltige Pranke entgegen. »Willkommen in Corkaich«, sagte er, »dem schönsten Ort der Welt!« Ich werde es nie vergessen!
    Inzwischen sind vier Monate vergangen. Das Leben im Dorf ist wunderbar! Etwas mehr als zwanzig Familien leben hier, und es gibt Kinder, mit denen du jeden Tag spielst und lernst. Endlich haben wir ein Zuhause gefunden, in dem du behütet aufwachsen kannst. Ich habe eine Schule eröffnet und bringe den Kindern und Erwachsenen Lesen und Schreiben bei.
    Ein Schatten allerdings ist doch schon auf mein neues Leben gefallen: Fletscher war hier. Eines Morgens schlich er auf den Hof und drang ins Haus ein. Der Mann sah aus wie der wandelnde Tod: ausgezehrt, verstümmelt, krumm und bleich. Er beteuerte mir seine Liebe und flehte mich an, ihn zu erhören.
    Pieroo hat ihn kurzerhand vom Hof gejagt und ihm Prügel angedroht, sollte er sich je wieder hier blicken lassen. Wie ich höre, hat er sich in der Nähe in der baufälligen Hütte eines verstorbenen Einsiedlers niedergelassen. Andere sagen, er würde in einer Höhle unten am Wald an der Bucht hausen.
    Ich hoffe, ihn nie mehr hier in Corkaich sehen zu müssen. Doch irgendwie tut er mir auch leid. Ich glaube, er ist krank.
    Ich glaube sogar, dass er wahnsinnig geworden ist.
    ***
    12. Dezember 2525
    »Ann!« Matthew Drax wankte durch das Dorf. »Jenny! Ann!« Er war wie betäubt, spürte weder seine müden Beine, noch die Kälte, noch den schmelzenden Schnee in seinem Haar und auf seinem Gesicht. Als kleine Rinnsale sickerte er ihm über den Nacken auf den Rücken und über den Hals auf die Brust. »Wo seid ihr?«
    Niemand antwortete ihm. Er ging von Haus zu Haus, durchsuchte Ställe und Schuppen. Er würde suchen, bis er sie fand; lebend oder zu Stein erstarrt. In den Ställen blökten ungemolkene Wakudas und Ziegen neben versteinerten Melkerinnen. Zahme Hunde strichen winselnd um ihre toten Herren. Versteinerte Familien saßen an Esstischen vor kaltem Essen.
    Wieder und wieder brüllte Matt die Namen Jenny und Ann, doch niemand antwortete ihm. Natürlich nicht: Hier lebte keiner mehr, der ihm hätte antworten können. Alle waren tot, alle waren zu Stein geworden.
    Die Verzweiflung drohte seinen Verstand zu lähmen. Er wusste nicht mehr,
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