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257 - Die Spur der Schatten

257 - Die Spur der Schatten

Titel: 257 - Die Spur der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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er auf Höhe des Gestrüpps, in dem Fletschers Knechte sich versteckt hielten.
    Fünf Schritte vor der Fallgrube blieb Pieroo in den Blaubeerbüschen stehen. Über die Grubentarnung hinweg spähte er in den Wald hinein. Sah er das sterbende Schwein? Hörte er es? Warum um alles in der Welt ging der Kerl nicht weiter?
    Das Beben unter Fletschers Hintern und Sohlen wurde heftiger, das Grunzen und Quieken rückte näher. Auf einmal erschienen die Umrisse hoher pelziger Rücken im Farn und brachen zwanzig Schritte hinter Pieroo durch das Unterholz. Ein Eber galoppierte heran. Und gleich noch einer! Dem folgten mindestens sechs oder sieben ausgewachsene Bachen, und hinter diesen Kolossen wiederum trampelte eine große Herde von Wisaaun jeder Größe Buschwerk und Unterholz nieder.
    Pieroo aber griff in den Lederbeutel, den er sich umgehängt hatte, holte etwas heraus, warf jeweils eine Handvoll davon nach links und nach rechts. Die Wisaauherde quiekte gierig und teilte sich. Die einen pflügten nach links, die anderen nach rechts.
    Dann erst geschah, was Fletscher längst befürchtete: Pieps und Pups verloren die Nerven. Sie sprangen aus dem Gestrüpp. Schwertschwingend trieben sie angreifende Wisaaun auseinander und flohen. Ein Eber, zwei Bachen und drei Jungtiere nahmen die Verfolgung auf. Als nur noch zehn Schritte die beiden Waldwilden von Fletschers Deckung trennten, verlor auch er die Nerven: Er schnellte hinter dem Vogelbeerbaum heraus und rannte vor seinen Barbarenknechten in den Wald hinein. Noch einmal blickte er sich um: Keine Spur mehr von Pieroo, doch die wilden Tiere kamen näher und näher.
    Die Wilden überholten ihn rasch; geschmeidiger und schneller als er bewegten sie sich durchs Unterholz. Bald waren ihre Körper nur noch verwaschene Schatten zwischen Sträuchern und Baumstämmen. »Wartet auf mich!« Sie hörten nicht, und das Stampfen und Schnauben hinter Fletscher wurde lauter und lauter. »Wartet auf mich!«, brüllte er noch einmal. »Bleibt stehen, verdammt noch mal, oder ich knall euch ab!«
    Im nächsten Moment hörte er es irgendwo vor sich im Halbdunkeln platschen, zwei Mal, als wären zwei schwere Körper in ein Gewässer gestürzt. Und dann stand er am Ufer eines Sees.
    Die Mondsichel spiegelte sich auf der Wasseroberfläche, zwei Schwimmer entfernten sich rasch. Fletscher fuhr herum. Die erste der Wisaaun, die hinter ihm her waren - ein Keiler - pflügte keine zehn Schritte hinter ihm durchs dichte Gestrüpp.
    Robin Fletscher blieb keine Wahl: Er hängte sich seinen »schwarzen Liebling« um die Schulter und warf sich ins Wasser. Am Quieken und Plätschern hinter sich hörte er, dass der Keiler ebenfalls in den See sprang. Diese bittere Einsicht mobilisierte sämtliche Kraftreserven des kahlköpfigen Riesen.
    Erst als er ungefähr die Mitte des Sees erreichte, merkte er, dass der Keiler die Verfolgung längst aufgegeben hatte. Fletscher spürte seine Arme kaum noch. Das Gewicht des Schwertes drohte ihn unter Wasser zu ziehen. Er zerrte es aus dem Gurt und ließ es los. Es sank dem Seegrund entgegen.
    Fletscher drehte sich um: Im letzten Tageslicht sah er die Umrisse von mindestens vier Wisaaun im seichten Uferwasser des Sees stehen. Der Keiler besprang eine der Bachen. Fletscher schwamm dem anderen Ufer entgegen. Dort entdeckte er die Silhouetten zweier Gestalten zwischen den Weiden. Pups und Pieps, diese Feiglinge. Wenigstens warteten sie auf ihn. Er würde sie erwürgen, er würde ihnen die Köpfe abreißen…!
    Fletscher kämpfte gegen die Versuchung, auch den Tornister mit seinem Gepäck abzuschnallen und zu versenken. »Tu's nicht, Major«, ermahnte er sich selbst murmelnd. »Das Messer, das Nahrungskonzentrat, die Medikamente… tu's bloß nicht…« Er drehte sich auf den Rücken und atmete tief durch. Er musste sich ausruhen, musste Kraft schöpfen. Mit behäbigen Schwimmzügen trieb er langsam dem Ufer entgegen.
    Als seine Stiefelfersen Grund berührten, ließ er sich sinken und stieß sich vom Boden ab. Er stand auf und drehte sich um. Er schwankte, so erschöpft war er. Die beiden Waldwilden kauerten ein paar Schritte entfernt unter einer Weide im Ufergras. Stumm betrachteten sie ihn.
    Fletscher watete ein Stück näher ans Ufer heran. Keuchend blieb er schließlich im Wasser stehen, beugte den Oberkörper und stützte sich eine Zeitlang auf seinen Knien auf. Sein Kampfanzug und sein Rückentornister waren schwer vom Wasser. Er schnappte nach Luft.
    »Ihr Hosenscheißer«,

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