Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
255 - Winterhexe

255 - Winterhexe

Titel: 255 - Winterhexe
Autoren: Manfred Weinland
Vom Netzwerk:
elf, zwölf Jahre sein und war Ben Coogan wie aus dem Gesicht geschnitten - reagierte, aber keineswegs erschrocken. Ruhig und abgeklärt blickte er zu den Besuchern herüber und sagte: »Ich erkenne sie, Mutter. Das sind die Leute, die ich zweimal aufsuchte, ohne dass sie es bemerkt haben…«
    Matt ging mehr als nur ein Licht auf. »Dann warst du es, der unsere Satteltaschen durchstöbert hat? Und der Chira aus der Hütte ließ?«
    Der Junge nickte emotionslos. Er schien weder stolz auf seine Leistung zu sein, noch sich ihrer zu schämen.
    »Du bist Fynn«, sagte Aruula ihm auf den Kopf zu. »Ben Coogans Sohn, den die Hexe vor Jahren entführt hat.«
    »Fynn«, echote der Junge. »Ja, das ist mein Name. Aber wer ist Ben Coogan?«
    Die Augen der Winterhexe schienen zu brennen, als sie das Wort ergriff. »Er wird euch eure Lügen nicht glauben. Und sich auch nicht davon verunsichern lassen.«
    »Weil er schon deine Lügen glaubt?«, fragte Matt. Der Anblick des Jungen, der da bei Chira am Boden hockte und das Fell der Lupa kraulte, versetzte ihn in Rage.
    Das hier war ein glasklarer Fall: Offenbar hatte die Frau, die im erklärten Krieg mit Durbayn lebte, Ben Coogans Sohn schon vor Jahren einer Gehirnwäsche unterzogen. Radikal waren alle Erinnerung an sein einstiges Leben in ihm gelöscht oder zumindest begraben worden. Fynn war bei seinem Verschwinden sieben Jahre alt gewesen, demnach war er heute elf. Vier Jahre lang hatte die Hexe auf ihn eingewirkt und ihm eingeimpft, er sei ihr leiblicher Sohn.
    »Dann ist das dort…«, Matt wies auf den völlig in seine Arbeit versunkenen Techno, »… wohl sein ›Vater‹?«
    Die Hexe machte eine wegwerfende Handbewegung. »Genug!«
    »Ach?« Rulfan trat drohend auf sie zu. »Dabei hat es gerade erst angefangen, interessant zu wer-«
    So abrupt, als wäre er gegen eine Wand gelaufen, blieb er stehen. Seine angriffslustig geballten Fäuste entspannten sich, die Schultern sanken herab. Leer starrte er durch die Frau hindurch.
    »Netter Versuch«, sagte sie. »Eure Namen kenne ich noch nicht, ich würde sie aber gerne erfahren. Es macht unser Zusammensein ein wenig… privater. Ich heiße Gwaysi.«
    »Gwaysi…«, echote Rulfan, und da war etwas in seiner Stimme und seinem Blick, das die Hexe veranlasste, ihren mentalen Griff zu lockern. Er blinzelte, dann sagte er: »Traysis Schwester?«
    Es durchfuhr Gwaysi wie ein elektrischer Schlag. »Du kennst Traysi?«
    Rulfan schüttelte den letzten Rest seiner Benommenheit ab. »Ich bin ihr in Landán begegnet.« [3]
    Gwaysi schien mit sich zu kämpfen, ob sie überhaupt Näheres erfahren wollte. Dann fragte sie doch: »Wie geht es ihr?« Rulfans Antwort traf sie wie ein zweiter Schlag:
    »Sie ist tot. Ich war bei ihr, als sie starb.«
    »Hast… du sie getötet?« Es war nicht klar herauszuhören, ob Wut oder freudige Erwartung in der Frage mitschwang.
    »Nein«, entgegnete Rulfan. »Sie hatte sich mit dem Geist eines Eluu verbunden; ihr verfügt offensichtlich über die gleichen geistigen Kräfte. Als die Rieseneule getötet wurde, starb auch sie, blind und halb wahnsinnig in einem Abwasserschacht…« Er konnte sich nicht verkneifen hinzuzufügen: »Ihr Schicksal sollte dir eine Warnung sein.«
    Gwaysi schien ihn gar nicht zu hören. Sekundenlang ging ihr Blick in weite Ferne. Dann wechselte sie abrupt das Thema, als hätte sie ihre tote Schwester bereits ad acta gelegt. Ihre Stimme klang rau. »Fynn erzählte mir von den Tekknik-Dingen, die er in euren Satteltaschen fand. Aus diesem Grund seid ihr hier. Ihr seht nicht aus wie Technos, könnt aber mit den Artefakten der Alten umgehen. Ich will wissen, wer ihr -«
    Diesmal unterbrach sie sich selbst. Sekundenlang schien sie in sich hineinzulauschen. Dann wandte sie sich abrupt dem Techno zu. »Die Lupas! Was geschieht da draußen?«
    Der Glatzköpfige hantierte an den Konsolen. Seine Bewegungen wirkten erzwungen, mechanisch. Er legte das Bild einer Kamera, die wohl in einer Steinsäule installiert war, auf einen der Monitore. Als es sich stabilisierte, sog Gwaysi scharf die Luft ein.
    Das Wolfsrudel lag verstreut im Schnee, jeder einzelne Lupa gefangen in einem Wurfnetz. Manche Tiere strampelten und wanden sich noch, andere hatten ihren Widerstand bereits eingestellt und lagen wie tot da. Um sie herum bewegten sich wild aussehende Lowlander, von denen einer mit gerecktem Arm und geballter Faust direkt ins Auge der Kamera blickte. Die Drohgebärde verriet, dass er damit rechnete,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher