Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
254 - Das Nest

254 - Das Nest

Titel: 254 - Das Nest
Autoren: Michelle Stern
Vom Netzwerk:
standen allerlei Gerätschaften aus dem Bunker.
    Sie haben fast die komplette Krankenstation hierher verschleppt , erkannte Rulfan kopfschüttelnd. Er sah einen metallenen Koffer, an den er sich flüchtig erinnerte. Darin waren Skalpelle und weiteres Operationsbesteck.
    Die Taratze, die ihre Hände auf Hrrneys Bauch presste, funkelte den Albino hasserfüllt an. Rulfan erkannte, dass es ein Weibchen war.
    »Okee, mal sehen, was ich tun kann…« Rulfan bemühte sich um eine ausdruckslose Mimik. Er ging zu dem Metallkoffer mit den Skalpellen und öffnete ihn. Unter den misstrauischen Blicken von fünf Taratzen griff er nach einem besonders großen Skalpell. Er wollte zu Ende bringen, was er angefangen hatte.
    Er kam nicht weit. Hrrneys Leibwächter packten ihn links und rechts.
    Hrrney lachte kehlig. »Hältsst du Hrrney fürr dumm, Rrulfan? Denksst du, ich wärre nurr ein dummess Tierr? Ich weisss, dasss du zorrnig bisst auf Hrrney. Willssst mich umbrringen. Aberr vielleicht kann dass deine Meinung änderrn…?« Er wies auf zwei weitere Taratzen, die eine schwere Holztruhe anhoben und heranschleppten. Die Truhe hatte in einer Ecke des Raumes gestanden und war fast so lang wie ein Mensch.
    »Was ist das?« Das Skalpell rutschte aus Rulfans Hand und fiel zu Boden.
    Ein weiteres Weibchen Hrrneys öffnete die Truhe und Rulfan konnte erkennen, was da zusammengeschnürt in ihr lag.
    »Chira!« Er wollte vorwärts stürmen, doch die Taratzen hielten ihn fest.
    »Chirra, ja«, röchelte Hrrney. »Wollten ssie auss derr Sspalte berrgen. Leckerress Frressen. Aberr ssie isst garr nicht biss ganzz rrunterr gefallen. Isst auf einem Vorrsprrung liegen geblieben, deine Chirra.«
    Rulfan schluckte. Er konnte erkennen, dass Chiras rechter Vorderlauf gebrochen war. Die Lupa winselte leise. In ihren Augen lag Schmerz. Sie war verletzt - vielleicht sogar schwer -, aber sie lebte!
    »Chira«, flüsterte er benommen vor Erleichterung.
    »Hasst die Wahl«, dröhnte Hrrneys Stimme. »Entwederr du heilsst Hrrney, oder wirr frressen dich und Chirra. Wenn du mirr hilffsst, dann verrspreche ich dich frrei zzu lasssen, dich und Chirra. Du hasst mein Worrt.«
    Rulfan wusste nicht, ob er Hrrney diesmal glauben konnte. Aber wenn es etwas gab, mit dem er Chira eine Chance geben konnte, dann würde er es tun.
    »Ich brauche Wasser und Tücher. Den Rest suche ich mir selbst zusammen. Außerdem muss mir einer von euch mit der Fackel leuchten.« Er riss sich von den beiden Taratzen los, die ihn widerstrebend gewähren ließen.
    Rulfan begann in dem wilden Sammelsurium aus dem Bunker nach brauchbarem Verbandsmaterial und Nadel und Faden zu stöbern. Taratzen hatten gutes Heilfleisch. Über Sterilität machte er sich keine Sorgen. Allein dass Hrrney noch immer lebte und bei Bewusstsein war, zeigte, wie widerstandsfähig die Taratze war.
    Er fand Desinfektionsmittel. Hrrney keuchte und fluchte, als Rulfan es benutzte. »Brringsst mich doch um?« Seine Wächter hoben ihre Säbel.
    »Das ist nur zum Saubermachen.« Rulfan sah Hrrney eindringlich an. »Ich habe euch davon erzählt, erinnerst du dich?«
    Hrrney knurrte. »Hasst errzzählt, ja.« Seine Augenlider flatterten.
    Rulfan griff zu Nadel und Faden. Vor lauter Blut konnte er das Fleisch kaum sehen. Im Bunker hatte man dafür einen Absauger benutzt. Er erinnerte sich an die Klemmen und wies eine Taratze an, den Koffer herzuholen.
    Ich bin kein Arzt, aber vermutlich kann ich hier nicht mehr viel falsch machen.
    Rulfan tat sein Bestes. Das lange Leben in einer feindlichen Welt hatte durchaus schon erfordert, dass er sich selbst hatte nähen und verbinden müssen. Aber eine so tiefe und schwere Wunde hatte er noch nie behandelt. Er versuchte sich an alles zu erinnern, was er früher im Bunker gelernt und gelesen hatte.
    Hrrney verlor derweil das Bewusstsein. Nicht gut. Die beiden Leibwächter drückten Rulfan ihre Säbelspitzen in den Rücken.
    »Er wacht wieder auf«, beruhigte Rulfan auch sich selbst. Hinter ihm winselte Chira. »Er ist nur kurz ohnmächtig geworden.«
    Wie um seine Worte zu bestätigen, öffnete Hrrney seine kleinen Augen wieder und begann zu brüllen. Das ging mehrere Minuten so, bis er erneut ohnmächtig wurde. Rulfan lief der Schweiß über das Gesicht. Seine Hände zitterten. Die Stiche waren alles andere als filigran.
    Er ist eine große, fette Taratze. Er übersteht das.
    Dass die Wächter knurrten und ihn bedrohten, machte seine Arbeit nicht einfacher. Obwohl er sich dünne,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher