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24 Stunden

24 Stunden

Titel: 24 Stunden
Autoren: Greg Iles
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Sie den letzten Satz auch verstanden?«, fragte Karen.
    »Mit Sahnehäubchen und Küssen«, wiederholte die Stimme gelangweilt.
    »Danke.«
    Karen drückte auf ENDE und schaute in den Rückspiegel, der so eingestellt war, dass sie Abby's Gesicht sehen konnte.
    »Daddy freut sich, wenn er Nachrichten von uns bekommt«, sagte Abby lächelnd.
    »Natürlich, mein Schatz.«
    Fünfzig Meilen südlich von Jackson hielt Will eine Flughöhe von 8000 Fuß. Unter ihm lag ein dicker, weißer Teppich aus Kumuluswolken und vor ihm ein Himmel, der so blau war wie ein arktischer See. Er hatte unbegrenzte Sicht. Als er sein Handgelenk krümmte, um das GPS-Gerät zu überprüfen, schoss ihm ein stechender Schmerz durch den rechten Unterarm. Es war schlimmer, als er Karen gegenüber zugegeben hatte, und das hatte sie gewusst. Ihr entging nichts. Sie wollte nicht, dass er weiterhin am Steuer eines Flugzeuges saß. Vor einem Monat hatte sie ihm angedroht, der Luftfahrtbehörde mitzuteilen, dass er »geschummelt« hätte, um die ärztliche Untersuchung zur Flugtauglichkeit zu bestehen. Er glaubte nicht, dass sie das tun würde, aber er war sich nicht ganz sicher. Wenn sie der Meinung wäre, dass das Fliegen aufgrund seiner Arthritis eine Gefahr für ihn und seine Familie darstellte, würde sie nicht zögern, alles daran zu setzen, ihn am Fliegen zu hindern.
    Will wusste nicht, ob er damit klarkäme. Schon allein der Gedanke, nicht mehr fliegen zu dürfen, verdarb ihm die Stimmung.
    Für ihn war das Fliegen mehr als ein Freizeitvergnügen. Es war für ihn die Versinnbildlichung dessen, was er alles im Leben erreicht hatte, ein Symbol für den Lebensstil, den er sich und seiner Familie ermöglichte. Sein Vater hätte nicht einmal davon träumen können, ein Flugzeug im Wert von 300.000 Dollar zu besitzen. Tom Jennings hatte nie hinter dem Steuerknüppel eines Flugzeugs gesessen. Er selbst hingegen hatte seines bar bezahlt.
    Dabei war Geld für Will nicht das Wichtigste. Es ging ihm um das, was er mit seinem Geld kaufen konnte: Sicherheit. Diese Lektion hatte er in seiner Jugend tausendfach gelernt: Geld war wie eine Rüstung. Es schützte die Menschen, die es besaßen, vor den täglichen Problemen, die andere quälten und sogar vernichteten. Und dennoch machte das Geld niemanden unverwundbar. Das hatte ihn seine Arthritis gelehrt. Andere Lektionen folgten.
    1986 hatte er sein Medizinstudium an der Louisiana State University abgeschlossen. Anschließend begann seine Assistenzzeit in der Geburtshilfe der Universitätsklinik in Jackson. Dort lernte er eine OP-Schwester mit wunderschönen grünen Augen und rotblondem Haar kennen. Dieser Krankenschwester wurde nachgesagt, dass sie niemals Verabredungen mit Ärzten oder Medizinstudenten treffen würde. Nachdem er sich drei Monate in Geduld geübt und seinen Charme hatte spielen lassen, überredete Will Karen, mit ihm eines Mittags außerhalb der Klinik essen zu gehen. An jenem Tag erfuhr er den simplen Grund für ihre Zurückhaltung: Sie hatte schon zu oft erlebt, dass Krankenschwestern ihren Freunden finanziell während des Medizinstudiums unter die Arme gegriffen hatten, nur um später abgeschoben zu werden. Andere Schwestern ließen sich auf nervenaufreibende Dreiecksbeziehungen mit verheirateten Ärzten und ihren Frauen ein, und weder nach dem einen noch nach dem anderen stand dieser OP-Schwester der Sinn.
    Trotz ihrer Einstellung traf sie sich in den nächsten zwei Jahren mit Will - zuerst heimlich und später in der Öffentlichkeit -, und nach einer einjährigen Verlobungszeit heirateten sie. Unmittelbar nach den Flitterwochen nahm Will seine Arbeit in einer Gemeinschaftspraxis mit anderen Ärzten aus dem Bereich der Geburtshilfe und Gynäkologie in Jackson auf, und der Beginn ihres Ehelebens gestaltete sich wie im Bilderbuch.
    Während seines zweiten Berufsjahres in der Gemeinschaftspraxis spürte Will plötzlich Schmerzen in den Händen, Füßen und der unteren Rückenpartie. Er versuchte, die Schmerzen zu ignorieren, doch schon bald behinderten sie ihn bei der Arbeit. Daher suchte Will einen Freund in der Rheumatologie auf. Eine Woche später stand die Diagnose fest. Er litt unter Arthritis psoriatica, einer ernsten Krankheit, die oft zu Lähmungserscheinungen führt. Will konnte nicht mehr als Geburtshelfer arbeiten, und deshalb informierte er sich über Fachgebiete, die körperlich weniger anstrengend waren, wie zum Beispiel die Dermatologie und Radiologie. Ein alter Studienfreund
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