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24 Stunden

24 Stunden

Titel: 24 Stunden
Autoren: Greg Iles
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»Wo ist meine Kleine?«
    »Ich bin hier, Mama.« Abby kniete sich neben ihre Mutter.
    Karen ergriff ihre Hand, hob den Kopf und schaute wie eine Löwin, die ihre Jungen bewacht, nach links und rechts. »Wo ist Hickey?«
    »Tot«, sagte Will. »Wir sind gerettet, Liebling.«
    Es dauerte einen Moment, bis Karen das begriffen hatte, doch schließlich seufzte sie und schloss die Augen. Will versuchte, sich ein Bild von ihrem Blutdruck zu machen, indem er den Puls an verschiedenen Stellen maß. Anschließend überprüfte er die Verfärbung ihrer Fingernägel. Sie müsste so schnell wie möglich ins Krankenhaus.
    »Daddy macht dich wieder gesund, Mama.«
    Karen lächelte sie an wie ein Geist. »Ich weiß, Kleines.«
    »Tut es sehr weh?«
    »Wenn du meine Hand festhältst, tut mir nichts weh.«
    Abby lachte unter Tränen.
    »Es ist alles vorbereitet«, sagte Zwick, der zu ihnen kam. »Können wir sie zum Hubschrauber tragen?«
    »Ich bin nicht besonders gut in Form«, sagte Will.
    »Mein Dad ist ins Bein geschossen worden«, sagte Abby stolz. »Er wollte mich beschützen.«
    »Wessen Geld ist das?«, rief ein Staatspolizist vom Mittelstreifen herüber. Er hielt die Aktentasche mit dem Lösegeld hoch. Sein Kollege, der neben ihm stand, legte Cheryl gerade Handschellen an.
    »Meins«, rief Will. »Die Frau hat eine Kugel in der Schulter, und sie hat Rauch eingeatmet. Sobald der Krankenwagen hier ist, muss sie ins Krankenhaus gebracht werden.«
    »Das ist mein Geld!«, schrie Cheryl. Sie zeigte auf Will. »Fragen Sie ihn!«
    »Nehmen Sie es mit«, sagte Will zu dem Polizisten. »Das klären wir später.«
    »Wie viel ist es?«
    »Dreihundertfünfzigtausend.«
    Der Polizist pfiff beeindruckt.
    »Verdammter Lügner!«, schrie Cheryl. »Ich hab's gewusst.«
    »Ich werde nicht vergessen, was ich gesagt habe. Ich werde vor Gericht aussagen, was Sie für uns getan haben.«
    »Scheiße! Sie haben mich in fünf Minuten vergessen.«
    Will zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder an Zwick. »Wir müssen Karen zum Hubschrauber bringen.«
    Zwick winkte die Polizisten und den Piloten zu sich, damit sie Karen zum Hubschrauber trugen.
    »Was ist mit Huey?«, fragte Abby. »Kann er mitkommen?«
    Will zeigte auf den Riesen, der noch immer versuchte, Joey aus seinem ewigen Schlaf zu reißen. »Das ist kein Kandidat fürs Gefängnis. Er braucht psychologische Betreuung. Wenn Sie ihn zur Universitätsklinik fahren, werde ich ihn in der Psychiatrie unterbringen.«
    Der Polizist, der die Aktentasche in Händen hielt, nickte.
    Will versuchte, Zwick und den anderen zu helfen, aber sein Bein gab wieder nach. »Welche Funkfrequenz hat die Notaufnahme in der Universitätsklinik?«, fragte er den Polizisten.
    »Hundertsechzehn Komma acht.«
    »Danke.«
    Jemand hatte aus blauen FBI-Windjacken auf dem Boden des Hubschraubers eine Bahre errichtet, auf die sie Karen legten. Zwick setzte sich neben den Piloten. Will war ihm dankbar dafür. Er wusste, dass der Special Agent ihn am liebsten einen Kopf kürzer gemacht hätte, aber der Mann bewies Anstand.
    Als der Hubschrauber sich nach vorn neigte und sich seinen Weg in die Luft bahnte, rief Will den Dienst habenden Arzt in der Notaufnahme der Universitätsklinik an. Er klärte ihn kurz über Karens Verwundung auf und bat, dass sich ein ihm bekannter Unfallchirurg, der nicht zum Kongress nach Biloxi gefahren war - ein barscher alter Vietnam-Veteran -, um Karen kümmern sollte. Will wusste, dass sich dieser Kollege bestens auskannte.
    Als er ins Cockpit zurückkehrte, hatte Karen die Augen aufgeschlagen. Sie sagte etwas, doch Will konnte es aufgrund des lauten Surrens der Rotoren nicht verstehen. Er beugte sich über ihren Mund.
    »Eine Familie«, flüsterte sie. »Wieder eine Familie.«
    »Wir sind wieder eine Familie!«, schrie Abby, die Will mit großen Augen ansah. »Das hat sie gesagt!«
    »Ja, du hast Recht. Das hat sie gesagt.« Plötzlich rührte sich tief in seinem Herzen etwas, und Freude und Kummer durchströmten ihn.
    »Du zitterst, Daddy«, sagte Abby.
    »Alles ist gut. Es war ein langer Tag.«
    Abby lächelte zögernd. Sie suchte in seinen Augen den unbesiegbaren Vater, den sie immer gekannt hatte, und ein Zeichen, dass alles bald wieder zur Normalität zurückkehren würde. Abby, die zwischen Karen und Will hockte, hielt die Hand ihrer Mutter fest, und Will nahm Abbys freie Hand in die seine. Zusammen bildeten sie eine Einheit, und er schwor in diesem Augenblick, dass diese niemals wieder
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