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24 Stunden

24 Stunden

Titel: 24 Stunden
Autoren: Greg Iles
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schlug die Anästhesie vor - sein eigenes Fachgebiet. Eine dreijährige Ausbildung würde ausreichen, falls die Universität Wills Erststudium anerkannte und er das einjährige Praktikum überspringen durfte. Das war möglich, und 1993 nahm er in der Anästhesie der Universitätsklinik Jackson seine Arbeit als Assistenzarzt auf.
    Im selben Monat kündigte Karen ihren Job als Krankenschwester und begann am nahe gelegenen Millsaps College eine Fortbildung, um sich auf das Medizinstudium vorzubereiten. Karen hatte sich als Krankenschwester immer unterfordert gefühlt. Will stimmte ihr zwar zu, aber ihre Entscheidung betrübte ihn, weil sie ihren Kinderwunsch dadurch einige Jahre zurückstellen mussten. Außerdem waren sie gezwungen, hohe Schulden zu machen, was Will Unbehagen bereitete. Doch er wollte, dass Karen glücklich war.
    Während er sich in sein neues Fachgebiet einarbeitete und lernte, mit den Schmerzen seiner Krankheit zu leben, drückte Karen vier Semester lang die Schulbank und schloss mit hervorragenden Noten ab. Beim Zulassungstest zur Medizinischen Fakultät erreichte sie 96 Prozent. Will staunte nicht schlecht und war sehr stolz. Karen strahlte vor Glück. Es sah fast so aus, als wäre Wills Krankheit ein Ansporn gewesen.
    Noch während des ersten Studienjahres an der Medizinischen Fakultät - Wills drittem Jahr als Assistenzarzt - wurde Karen schwanger. Sie hatte die Pille nie vertragen, und die weniger sicheren Methoden zur Empfängnisverhütung hatten schließlich versagt. Will war überrascht, aber glücklich. Karen war erschüttert. Sie glaubte, dass das Baby ihren Traum, Ärztin zu werden, zerstören würde. Will musste ihr gezwungenermaßen Recht geben. Drei qualvolle Wochen lang dachte sie über eine Abtreibung nach. Letztendlich entschied sie sich aufgrund ihres Alters von 33 Jahren dafür, das Baby zu behalten. Sie schaffte es, ihr erstes Studienjahr zu beenden, doch nach Abbys Geburt konnte sie das Studium nicht fortsetzen - sie hängte ihr Studium an den Nagel. Während Will nach Abschluss seiner Assistenzzeit die Arbeit in der Abteilung für Anästhesie, die sein alter Studienfreund leitete, aufnahm, saß Karen zu Hause, um sich auf ihre Mutterrolle vorzubereiten.
    Sie nahmen sich vor, der Zukunft ohne Bedauern entgegenzusehen, was leider nicht gelang. Will war ungeheuer erfolgreich in seiner Arbeit, und er hätte es nie für möglich gehalten, dass Abby so viel Freude in ihr Leben bringen würde. Karen machte der Abbruch ihres Studiums jedoch sehr zu schaffen. Im Laufe der nächsten Jahre belastete ihre Unzufriedenheit allmählich ihre Ehe. Das machte sich bei den Gesprächen während des Essens und beim Sex bemerkbar, den es eigentlich gar nicht mehr gab. Will versuchte, mit ihr darüber zu sprechen, aber dadurch schien alles nur noch schlimmer zu werden. Schließlich konzentrierte sich Will nur noch auf seine Arbeit und auf Abby, und die restliche Energie verwendete er darauf, seine langsam fortschreitende Arthritis zu bekämpfen.
    Er behandelte sich selbst, was aufgrund des herkömmlichen Wissens als verrückt bezeichnet werden konnte, doch er hatte seine Krankheit so intensiv studiert, dass er mehr darüber wusste als die meisten Rheumatologen. Das Gleiche galt für Abbys Jugenddiabetes. Da er sein eigener Arzt war, konnte er Dinge tun, die er normalerweise nicht hätte tun können, wie zum Beispiel fliegen. An guten Tagen behinderten ihn seine Schmerzen dabei nicht, und Will flog nur an guten Tagen. Aufgrund dieses Vorsatzes hatte er sich erlaubt, ein wenig zu mogeln. Er hatte Medikamente genommen, um die Untersuchung zur Flugtauglichkeit zu bestehen. Da nur wenige Berichte über seine Krankheit vorlagen, war es eher unwahrscheinlich, dass man seine Täuschung je aufdecken würde. Er hätte sich gewünscht, seine Eheprobleme wären auch so einfach zu lösen.
    Plötzlich hörte er im Cockpit einen schrillen Piepton. Will fluchte, weil er die ganze Zeit mit seinen Gedanken woanders gewesen war. Als er die Instrumententafel nach dem Grund des Alarms überprüfte, regte sich Furcht in ihm, und seine Arme fingen an zu kribbeln. Er konnte nichts Ungewöhnliches entdecken, wodurch sich seine Angst noch steigerte. Er war ganz sicher, dass ihm etwas entgangen war. Plötzlich atmete er auf. Er griff an seine Taille, zog das neue SkyTel vom Gürtel und drückte auf die Empfangstaste. Der alphanumerische Pager zeigte eine Nachricht in leuchtend grünen Buchstaben:

    WIR VERMISSEN DICH SCHON.
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