Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

2358 - Pilot der Chaotarchen

Titel: 2358 - Pilot der Chaotarchen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
virtuelle. Lebte er innerhalb einer Animation?
    Lebte er überhaupt?
    Und wessen Leben? „Verschwinde aus meinem Kopf!", schrie Kirmizz.
    Oh, das könnte ich ebenfalls sagen.
     
    *
     
    Immer öfter ereigneten sich eigenartige Déjàvus.
    Während einer Hyperphysik-Vorlesung stellte Kirmizz plötzlich fest, dass er die komplizierte Gleichung, die Professor Ötygulgul gerade über mehrere Holoschirme ausbreitete, bereits kannte.
    Die zahlreichen gewagten Denkschritte bis hin zur Lösung waren ihm vertraut.
    Er hätte Wort für Wort, Ziffer für Ziffer mitsprechen können! Und doch war er hundertprozentig sicher, nie zuvor davon gehört zu haben, nicht hier im Hort und schon gar nicht auf der heimatlichen Insel.
    Wie war das möglich?
    Im Kampfsport-Unterricht stellte Ecüisse, die Instruktorin, eine historische Selbstverteidigungswaffe vor, die von einer längst untergegangenen Zivilisation stammte. Es handelte sich um einen Holzstab, an dessen Enden mittels kurzer Eisenketten zwei dickere, keulenartige Stäbe befestigt waren. „Sehr effektiv", kommentierte die Sportlehrerin. „Aber schwierig zu führen."
    Sie demonstrierte, wie man das Ding schwenkte und die Schwungkraft der Keulen gegen den Kontrahenten richtete.
    Dann ließ sie die Studenten probieren. Der Reihe nach hauten sie sich, zum Gaudium der Zusehenden, selbst die Knöchel wund.
    Als Kirmizz drankam und das Kchununja ergriff, schmiegte sich der Mittelstab förmlich in seine Hand, und Kirmizz wusste auf einmal, wie er damit umzugehen hatte. So schlafwandlerisch sicher schwang er die antike Waffe, dass Studenten wie Instrukteurin aus dem Staunen nicht herauskamen. „Das nenne ich ein Naturtalent", sagte Ecüisse. „Wollen wir einen kurzen Kampf mit zweien dieser Dinger versuchen?"
    Beim ersten Mal entwaffnete er sie binnen Sekunden, indem er seine rechte Kette um ihre linke schlang und im richtigen Moment beherzt nach hinten zog. Beim zweiten Mal dauerte es nicht viel länger, bis er sie zwischen Keulen und Mittelstab im Würgegriff hatte.
    Beim dritten Mal bot Ecüisse ihm, verärgert und ehrgeizig geworden, mehr Widerstand. In ihrem Furor traf sie ihn versehentlich am Hinterkopf, was ihn seinerseits wütend machte. Mit einer Kombination aus harten Schlägen, blitzschnellen Drehungen und raffinierten Finten manövrierte er sie aus.
    Dann brachte sie ihre Deckung' nicht mehr rechtzeitig hoch. Kirmizz ließ das Kchununja herumwirbeln und setzte zu einem wuchtigen Hieb an. Im letzten Moment erkannte er, dass er der Lehrerin den Schädel spalten würde, und stoppte gerade noch rechtzeitig. „Beeindruckend", keuchte sie.
    In der Sporthalle war es mucksmäuschenstill geworden. Jetzt löste sich die Spannung, und die Studenten brachen in anerkennendes Johlen aus. „Gib's zu", fragte Aqqel-Saint hinterher, „du hast mit dem Ding schon früher einmal trainiert, was?"
    Kirmizz verneinte und zuckte die Achseln. „Es scheint mir einfach zu liegen. Kann mir selbst nicht erklären, wieso ich so gut damit bin."
    Das entsprach der Wahrheit. Was er seinem Zimmerkollegen jedoch verschwieg, war: Während des Kampfes waren ihm nicht nur die jeweils optimalen Griffe und Bewegungsfolgen eingefallen - sondern auch deren Bezeichnungen.
    In einer uralten Sprache, die er seines Wissens nie erlernt hatte.
     
    *
     
    Sosehr ihn diese Vorfälle bedrückten, er vertraute sich niemandem an, weder Aqqel-Saint noch anderen Kommilitonen, auch keinem Mitglied des Lehrkörpers.
    Dabei wurden die Dozenten nicht müde zu betonen, dass man mit allen Fragen, Wünschen und Beschwerden zu ihnen kommen könne: Dies gehöre zum pädagogischen Konzept.
    Kirmizz hätte nicht zu sagen gewusst, weshalb er von diesem Angebot keinen Gebrauch machte. Etliche der Professoren waren ihm recht sympathisch. Sie traten den Auszubildenden fair, selbstlos und zuvorkommend gegenüber und ermunterten sie zu eigenständigem Denken; das gefiel Kirmizz.
    Auch diejenigen Dozenten, die strenger, distanzierter und repressiver auftraten, behandelten ihn keineswegs ungerecht.
    Früher war das angeblich anders gewesen, hatte Aqqel-Saint getratscht. Da wäre am Campus eine wesentlich härtere Linie verfolgt worden. Aber das sei, wenn nicht überhaupt eine Legende, sehr lange her.
    Auf die Frage, wie alt der Hort im Hyperraum denn schon sei, wusste der Schwebebär keine Antwort.
    Oder will er sie dir nicht geben?
    Die verfluchte Stimme setzte alles daran, Zwietracht zu säen, Kirmizz gegen sein gesamtes Umfeld
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher