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235 - Auf dem sechsten Kontinent

235 - Auf dem sechsten Kontinent

Titel: 235 - Auf dem sechsten Kontinent
Autoren: Michael M. Thurner
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seine Freundin, seine Herrin, seine Beherrscherin, gegen einen wie ihn verlor.
    Doch allmählich verstand auch er, was hier vor sich ging. Die Verwirrung in seinem verunstalteten Gesicht legte sich. Mit weit ausgestreckten Armen kam er auf Matt zugetaumelt, wie das Monster aus einem alten Schwarz-Weiß-Film. Der Franke murmelte unartikuliertes Gebrabbel, stürzte sich auf den Mann aus der Vergangenheit.
    »Bring ihn mir!« kreischte Nimue. »Verletze ihn, aber töte ihn nicht! Noch nicht!«
    Matt hob einen faustgroßen Stein und schleuderte ihn. Er prallte mit einem hohlen Geräusch vom Kopf des Franken ab. Sein Gegner stürmte weiter heran, scherte sich nicht um die weit offen klaffende Wunde in seinem Fleisch… aus der kein Blut hervordrang!
    Matt drehte sich um und lief los. Weg von diesem Unglückshaus, weg von Aruula, bevor Nimue daran dachte, dass sie seine Gefährtin als Druckmittel gegen ihn verwenden konnte.
    Er war schneller als sein Gegner, zweifellos – aber besaß er auch die größere Ausdauer?
    Matt lief auf den Hügel zu. Es gab kein langes Überlegen. Da war das Rozhkoi-Tor zur unterirdischen Tunnelwelt, verziert mit Meißelarbeiten. Halb geöffnet war es, und aus dem Dahinter drang ein schwacher Lichtschein hervor.
    Matthew quetschte sich zwischen die Steinhälften, lief ins Unbekannte. Seine Schritte hallten laut, übertönt vom schwerfällig wirkenden Getrampel seines Verfolgers. Matt schnappte sich eine Fackel aus einer metallenen Halterung, hetzte weiter, ohne sein Tempo zu verringern. Er meinte den Atem des Franken in seinem Nacken zu spüren, doch er drehte sich nicht um, wohl wissend, dass jede Sekunde zählte.
    Manche Stellen der Seitenwände glänzten fluoreszierend. Wurmähnliche Geschöpfe krochen über das Gestein, wanden sich umeinander, verursachten einen Hauch von Licht, während sie sich unentwegt paarten.
    Eine Abzweigung. Eine zweite. Wasser, das von der Decke tropfte und einen knöcheltiefen See gebildet hatte, durch den er laufen musste. Eine sanfte Kurve, an deren Ausgang ihn drei Abzweigungen erwarteten. Matt überlegte nicht lange, nahm die rechte…
    Halt!
    Er bremste ab und kehrte um, darum betend, ausreichend Vorsprung zu haben. Der Schatten des Franken zeichnete sich in der Biegung ab.
    Matt überlegte kurz. Der mittlere Stollen war breit und ausgetreten. Ein Hauch von Parfüm lag hier in der Luft. An den Seitenwänden waren zahllose Herzchen in den Stein gemeißelt, und Liebesbekundungen. Nanette. Babette. Anette. Kreuz und quer zogen sich die Schriftbilder, die mehrere Generationen von Männern hinterlassen hatten, als sie dem Zwang der Gadgets gefolgt und diesen Weg entlanggetaumelt waren, um jenes vermeintliche Glück zu finden, das ihnen vorgegaukelt wurde.
    Matt nahm wieder an Geschwindigkeit auf. Noch reichten seine Kräfte, noch hielt er das selbst gewählte Tempo durch. Doch er wusste, dass er dem Franken nicht endlos lange entkommen konnte. Wollte er einen Ausweg, eine Lösung finden, musste er das Problem bei der Wurzel packen.
    Er zwang sich, ein wenig langsamer zu laufen. Er musste den Franken stets an seinen Fersen behalten. Der Riese durfte keine Gelegenheit bekommen, darüber nachzudenken, wo er sich befand. Der Kerl war ohnehin nicht besonders helle; doch wenn er durchschaute, was Matt vorhatte, würde er vielleicht umdrehen und zu Nimue – und Aruula – zurückkehren.
    Gleichmäßig. So ruhig wie möglich. Immer in Reichweite bleiben. Gleichmäßig. Darauf achten, nur ja nicht zu stolpern. Nicht an seinen schrecklichen Gegner denken. Gleichmäßig.
    Matts Gedanken bewegten sich im Kreis, waren wie ein Mantra, dessen er sich bediente, um Schritt für Schritt hinter sich zu bringen. Der Schweiß strömte in einem steten Fluss von seiner Stirn und über den Hals ins Innere seines Shirts. Die Brust wurde ihm eng, seine Beine fühlten sich wacklig wie Pudding an. Mehrmals musste er zwischen Abzweigungen entscheiden, musste stets in Sekundenschnelle die Zeichen deuten, die verliebte Männer hinterlassen hatten.
    Endlich sah er Licht am Ende des Tunnels. Verdorrte Blumensträuße lagen hier zuhauf, achtlos entsorgt, ebenso wie kleine Geschenke: geschnitzte Herzchen, mit unbeholfener Schrift hingekritzelte Liebesgedichte, geflochtene Stoffbänder…
    Matt warf sich mit aller Kraft gegen das Tor, das bloß einen Spaltbreit offen war, drückte es auseinander, quetschte sich hindurch. Er fühlte, dass sein Verfolger eine Pranke nach ihm ausstreckte, und duckte
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