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235 - Auf dem sechsten Kontinent

235 - Auf dem sechsten Kontinent

Titel: 235 - Auf dem sechsten Kontinent
Autoren: Michael M. Thurner
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lange… Jetzt bin ich hungrig. Gebt mir zu essen. Bitte.«
    Offenbar, so mutmaßte Maria, hatte der Fremde durch die Strapazen seines unmenschlichen Marsches das Gedächtnis verloren.
    Man reichte ihm, was zu entbehren war. Salat, in Nährtanks und unter künstlicher Beleuchtung hochgezogen. Fleischersatz, der aus Soja gefertigt wurde. Brotersatz, bestrichen mit nährstoffarmer Margarine, ein Apfel, dem man anmerkte, dass er niemals richtiges Sonnenlicht gesehen hatte. Der Franke stopfte die Nahrung in sich hinein und nahm sich dabei kaum die Mühe zu kauen. Seine Manieren waren schrecklich.
    Nanette beobachtete ihn aufmerksam. Er war hässlich, keine Frage, und er wirkte nicht besonders helle. Bei allem, was er sagte, dachte er lange nach, als müsste er mühselig Wort an Wort reihen.
    Und er machte ihr schöne Augen. Er drehte ihr den Kopf zu, sah sie aus blutunterlaufenen Augen an, blickte gleich wieder weg.
    Er will mich haben, dachte Nanette befriedigt. Er ist schüchtern, und er ist dumm. Das ist die ideale Kombination. Ich denke, daraus lässt sich was machen…
    Sie schlug die Beine übereinander, öffnete den Overall ein wenig und beugte sich leicht nach vorne. Der Franke sollte ruhig ein wenig Appetit bekommen. Und irgendwann, wenn er es nicht mehr aushielt und ihr versprach, alles für sie zu tun, wenn er sie nur berühren dürfte – dann würde sie ihn füttern.
    3.
    Vorstoß ins Inselreich
    Die Sonne versank blutrot im Meer. Sogleich wurde es kühler, und der Wind nahm zu. Sie mussten sich beeilen, wollten sie es vor Einbruch der Nacht in die Transportqualle zurückschaffen.
    Unweit von ihnen, auf der den Inseln zugewandten Seite, trieben mehrere muschelbesetzte Baumstämme durch das flache Wasser. Sie schlugen gegen das Riff, trieben mit dem Wellenschlag ein paar Meter weg, prallten erneut gegen den Fels. Immer wieder.
    »Wir schlafen noch einmal in unserem Gefährt«, entschied Matt. »Bei Tagesanbruch greifen wir uns unsere Siebensachen und überqueren das Riff. Mit Hilfe der Hölzer dort unten bauen wir ein behelfsmäßiges Floß und rudern hinüber zu den Inseln.«
    Aruula nickte. Sie war froh darüber, endlich wieder aus der Qualle heraus zu kommen. So komfortabel das hydritische Transportmittel auch war, sie liebte den Wind und das weite Land. Die Tiefe des Meeres war ihr suspekt.
    Eine halbe Stunde später erreichten sie die Transportqualle und gingen an Bord.
    Am nächsten Morgen bildete die Qualle auf Matts Eingabe hin lange Streifen aus ihrem bionetischen Hüllenmaterial, die sie als Taue verwenden konnten. Das Material fühlte sich weich und dennoch zäh an, und es eignete sich hervorragend für ihre Zwecke. Gemeinsam schoben sie die im Wasser treibenden Baumstämme so eng wie möglich zueinander und schlangen die bionetischen Bänder um das Holz. Der abgebrochene Ast eines Wasserbaumes, der als Treibgut angespült wurde, diente als Riemenstange. Mit Messer und Schwert schlugen sie den Muschelbewuchs von der Oberfläche des einfachen Floßes, bis es gefahrlos begehbar war. Dann sicherten sie die Kiste mit ihren wenigen Habseligkeiten mit weiteren Tauen und schoben das Gefährt ins ruhige Gewässer hinaus.
    Die Sonne hatte ihren Zenit erreicht, nur vier Handbreiten über dem Horizont. Matt schätzte, dass die Lufttemperatur bei fünfzehn Grad Celsius lag. Das Wasser erschien ihm noch etwas kühler.
    Das Meer war nicht tiefer als drei, vier Meter; hier wäre die Qualle ohnehin auf Grund gelaufen. Kleine und kleinste Fischchen ließen sich in großen Schulen von der schwachen Strömung mal hier-, mal dorthin treiben oder versteckten sich zwischen den Armen isoliert dastehender Riesenkorallen.
    »Seltsam, dass die Wasserbäume nicht bis hierher vorgedrungen sind«, sagte Matt nachdenklich. »Das Riff scheint eine natürliche Barriere für sie zu sein.«
    »Sie brauchen stärkere Strömungen, um ihre… Knospen weithin verteilen zu können. Solche, die auch kälteres Wasser mit sich führen. Auf dieser Seite des Riffs fühlen sie sich unwohl.«
    »Andere Gründe gibt es nicht? Unbekannte Gefahren vielleicht?«
    »Nein.« Aruula sah sich immer wieder um. Sie empfing die »Gedanken« der Wasserbäume. »Es interessiert sie nicht, was hier geschieht, sie konzentrieren sich auf ihren eigenen Lebensraum.«
    Der Wind frischte auf, und Matt stieß das Floß mit der Riemenstange vorwärts. In weniger als zwei Stunden, so schätzte er, würden sie das Inselwirrwarr erreichen. Und die Menschen, die hier
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