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234 - Das Drachennest

234 - Das Drachennest

Titel: 234 - Das Drachennest
Autoren: Jo Zybell
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seine Befriedigung nicht anmerken zu lassen. Wie schon Crow, gingen ihm nun auch diese widerlichen Schlächter auf den Leim.
    »Das blutlose Stück widert mich an!«, zischte Mag’uz und deutete auf den reglosen Torso des Kunstwesens. »Können wir es nicht endlich fortschaffen?« Kor’nak machte eine zustimmende Handbewegung und ließ sich danach am Feuer nieder; er war maßlos erschöpft. Brütend starrte er in die Flammen. Agat’ol setzte sich neben ihn.
    Mag’uz und die anderen aber fielen über den Torso her, bearbeiteten ihn mit Dreispitzen und Felsbrocken und zerschlugen ihn so in viele Einzelteile. Ihre ganze angestaute Wut über die Niederlage am Gleiter ließen sie an dem Wrackteil des Maschinenmenschen aus. Als es nichts mehr zu zertrümmern gab, lasen sie die Splitter und Fetzen auf und schleuderten sie in den Höhlensee.
    »Kommt her zu mir!«, rief ihr Rottenmeister, als das letzte Trümmerteil versenkt war. »Setzt euch.« Kor’nak deutete auf die leeren Sitzsteine am Feuer. Nacheinander ließen die erschöpften Mar’oskrieger sich bei Agat’ol und Kor’nak nieder: Mag’uz, Pan’ek, Quo’pok, Ek’ba und acht weitere Rottenmitglieder, die den Kampf am Gleiter überlebt hatten. Ihre finsteren Blicke hingen an Kor’nak.
    »Wir waren dreiundzwanzig«, sagte der. »Jetzt sind wir noch dreizehn. Wie könnten wir unsere gefallenen Brüder und Schwestern besser ehren als durch blutige Rache?« Einige nickten und ballten die Fäuste. »Und was könnte uns tiefer trösten, als die Schmerzensschreie dieses verfluchten Lungenatmers Crow und das hirnlose Gefasel seiner von unseren Blitzen gequälten Blechbüchsen?« Wieder Kopfnicken und geballte Fäuste. »Bis an das Ende der Welt werden wir sie jagen!«
    Zustimmendes Grölen erhob sich. »Die Rache ist unser!«, »So soll es sein!«, »So wahr der göttliche Mar’os lebt!«
    »Zuerst aber holen wir uns diese Wegräumerkanone!«, zischte Mag’uz. »Wem außer uns steht sie zu? Wir haben schließlich unsere Schädel dafür hingehalten!«
    »Ganz richtig, geliebte Schwester!« Kor’nak feixte grimmig. »Und weil diese Wunderwaffe uns und nur uns und unserem neuen Bruder Agat’ol zusteht, darf auch niemand aus der Kolonie von ihr erfahren. Selbst über den Gleiter, über den Lungenatmer und über den Kampf – kein Wort zu niemandem!« Er legte seinen Finger auf die Lippen. »Und nun lasst uns unsere gefallenen Brüder und Schwestern betrauern.« Er stand auf, stapfte in den hinteren Teil der Grotte und kehrte nach ein paar Atemzügen aus dem Halbdunkel zurück. Unter seinem Arm klemmte ein prall gefüllter Sack aus Fischleder.
    Kor’nak ging vor einem Stapel Hausrat in die Knie und kramte einen großen mit Muscheln besetzten Becher aus Granit heraus. Danach schraubte er den Sack auf und goss aus ihm eine dunkelrote Flüssigkeit in den Granitbecher. Schließlich verschloss er den Sack und kehrte mit dem gefüllten Becher an das Feuer zurück. »Erhebt euch.«
    Nacheinander standen die Mar’oskrieger und -kriegerinnen auf, auch Agat’ol. »Mit diesem Blutmahl vereinigen wir uns mit dem Todesmut unserer Brüder und Schwestern und mit dem Blut der gefallenen Rynch, unserer großen Schwester«, erklärte Kor’nak feierlich. »Und zugleich nehmen wir unseren Bruder Agat’ol in unserer verschworenen Rotte auf.«
    Er hob den Muschelbecher. Mit den Schneidezähnen zerbiss er sich die Unterlippe, ließ das Blut in den Becher tropfen und nahm einen tiefen Schluck. Danach reichte er den Granitbecher an Mag’uz weiter. Auch sie zerbiss sich die Unterlippe, bevor sie trank und den Becher weiterreichte. Schweigend vollzog so einer nach dem anderen das Ritual.
    Als die Reihe an Agat’ol war, erbebten dessen Kiemendeckel. Das Gefühl, als Gleichberechtigter in eine verschworene Gemeinschaft aufgenommen zu werden, überwältigte ihn. Seine Augen wurden feucht. Es dauerte eine Zeitlang, bis er sich überwinden konnte, seine Unterlippe blutig zu beißen. Der Gestank des schwarzroten Getränks – es roch nach rostigem Metall und Verwesung – betäubte ihn halb, sodass es ihm schließlich gelang. Er ließ sein Blut in den Muschelkelch tropfen und trank einen kleinen Schluck.
    Der Becher machte seine Runde und gelangte schließlich wieder zu Kor’nak. »Nun, da wir das Blut der Drachen getrunken haben, sind unsere Seelen aufs Neue mit den Seelen der Drachen verbunden!«, rief er, und das Echo seiner Stimme scholl aus den Tiefen der Grotte wider. Agat’ol
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