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2310 - Strukturpiloten

Titel: 2310 - Strukturpiloten
Autoren: Unbekannt
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Zeitgenossen.
    „Dir ist schon bewusst", sagte Sheerdurn langsam, „dass die Gaben nicht kumulativ vererbt werden?"
    „Öh ..."
    „Deine Eltern sind Strukturflieger, aber das bedeutet gar nichts. Kind – die Chance, dass du die Anlagen in dir trägst, welche die Voraussetzung für Pilotensinn und Pilotenkraft darstellen, ist genau gleich hoch oder vielmehr niedrig, als wenn du auf einem Planeten geboren worden und aufgewachsen wärst. Nicht mal eins zu tausend; exakt dasselbe Verhältnis wie in den bodensässigen Clans."
    „Weiß ich." Der Trotz tropfte dem Bengel förmlich aus der Nase.
    Verdammt, dachte Sheerdurn erschauernd. Wäre ich jemals ebenso stur überzeugt von mir und meiner Sendung gewesen – ich hätte die Welt aus den Angeln gehoben.
    Während er Kempo Doll’Arym betrachtete, während sein getrübter Blick von unten nach oben glitt, vom unausgereiften, schwammigen Korpus zu den diamanthart blitzenden Augen – in jenem Moment begriff Sheerdurn, dass dieser begnadete Wicht genau das tun würde: die Welt, alle bekannten Welten, ja noch viel mehr aus den Angeln reißen.
    Unerbittlich.
    In dem Bürschchen, dem praktisch frisch geschlüpften Würmchen, steckte paradoxerweise ein ähnliches Potenzial wie in der antiken, abgekämpften DORYNA. Nicht von ungefähr drängte sich Sheerdurn diese Parallele auf.
    Nein, Kempo und die uralte Dolbe waren, das schmeckte er mit den erbärmlichen Resten seines Struktursinns, füreinander bestimmt.
    Und er selbst bildete eine weitere Seite des Dreiecks; freilich die kürzeste, brüchigste, anfälligste.
    Ich muss ihm helfen; ihm zur Seite stehen, solange ich noch stehen kann.
    Kempos nächste Äußerung bestätigte diesen Gedankengang dermaßen brutal, dass der arme, alte, seit Jahren vom Mitleid mit seiner eigenen Person benebelte Sheerdurn hochsprang und wie vom Donner gerührt erstarrte.
    „Ich träume", sagte der Zehnjährige, „oft. Wie ich das Durcheinander jenseits der Systemgrenze erspüre. Weil ich ein Strukturpilot bin. Wie mir der stöbernde Quirl die Geheimnisse seiner vielfältigen Driften preisgibt. Damit ich, mit meinem Schiff, darin schwimmen kann. Aber dann."
    Die wenigen auch während der Wartung aktiven Aggregate der DORYNA summten niederschwellig. Es stank nach Schmierseim und Ozon. Sheerdurn schob die Brille hoch. Ohne das Spezialgerät war er in der Ferndistanz faktisch blind. Die Umgebung erschien ihm wie ein zerfließendes Aquarell aus Erdfarben: Rötel und Kohle, durchmischt mit dem knallenden Orange von Zitrusbeerschoten.
    Vor diesem Hintergrund tänzelte koboldhaft Kempos Umriss. Er hauchte: „Derselbe Traum gerät regelmäßig außer Kontrolle. Ich werde eins mit dem wirbelnden Sog. Und beschwöre ihn. Herauf."
    Hölle, dachte Sheerdurn. Hölle und Verderbnis. Er hat es. Und er ist noch so jung ...
    „Dann lenke ich den Sturm gegen einen Verband von Strukturdolben, die sich eben von System zu System vorarbeiten. Und das wütende, unabsichtlich provozierte Gestöber ..."
    Er ging in die Hocke. Kippte langsam um, kauerte, in Embryonalhaltung zusammengerollt, auf dem Metallboden.
    Presste seine Patschhändchen gegen die Schläfen.
    „... vernichtet sie", vollendete Sheerdurn.
    In Gedanken ergänzte er: Scheiße.
    Scheiße, Scheiße, dreimal versprudelte Scheiße.
     
    *
     
    Von da an trafen sie sich etwa einmal die Woche; stets nachts. Sheerdurn führte Kempo durch die Kavernen von Aram Tachady, erklärte ihm die Peripherie der beiden Reparaturdocks und ließ sich nahezu pausenlos Löcher in den Bauch fragen.
    Aus aktuellem Anlass ging es hauptsächlich um die Charon-Prüfung, derentwegen sich die Oberfläche der Pilotenstadt in einen grellbunten Jahrmarkt verwandelt hatte. Kempo wusste natürlich bereits einiges darüber. Sheerdurn ergänzte dies durch nur Eingeweihten bekannte Details und Hintergründe.
    Er erachtete es für richtig, den Bengel vor der Zeit aufzuklären. Jener war erstens außerordentlich frühreif und zweitens unzweifelhaft mit den Pilotengaben gesegnet, was nicht zuletzt sein häufig wiederkehrender Alptraum bewies.
    Diesbezüglich hatte Sheerdurn sich und Kempo beruhigt: Wie man ja oft im Schlaf unbewusste oder auch konkrete Ängste bewältigte, diente wohl auch dieser Traum der Überwindung von Kempos Furcht, er könnte sein Talent unabsichtlich auf destruktive Weise einsetzen. Derlei war bei Hochbegabten gar nicht selten; spätestens mit Ende der Pubertät wuchs sich das aus.
    Dass dem noch eine weitere,
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