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23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

Titel: 23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)
Autoren: Ha-Joon Chang
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wäre wie bei einem Rennen, in dem zwar niemand einen Vorsprung hätte, einige aber mit einem verkrüppelten Bein oder Sandsäcken an den Füßen laufen müssten.
    Am anderen Ende des Spektrums sind die Managergehälter in den Vereinigten Staaten in den letzten Jahrzehnten schwindelerregend in die Höhe geschossen. Der Grund dafür ist jedoch nicht, dass amerikanische Manager entsprechend produktiver geworden sind. Die Gehälter der US-Manager sind zwischen 1950 und heute mindestens um das Zehnfache gestiegen (ein durchschnittlicher Topmanager verdiente in den Fünfzigern etwa das 35-Fache des durchschnittlichen Arbeiterlohns, heute ist es das 300- bis 1000-Fache), jedoch nicht, weil sich ihre Produktivität zehn Mal schneller als die der übrigen Beschäftigten gesteigert hat. US-Manager verdienen 2,5-mal so viel wie ihre schwedischen und vier Mal so viel wie ihre japanischen Kollegen, obwohl es keinerlei Anzeichen dafür gibt, dass sie auch produktiver wären.
    Erst wenn wir wagen, infrage zu stellen, was uns der Markt als gegeben vorsetzt, werden wir Mittel und Wege finden, eine gerechtere Gesellschaft aufzubauen. Wir können und sollten den Aktienmarkt und unser System der Unternehmensführung neu regeln, um die exzessive Gehaltspolitik der obersten Führungskräfte einzudämmen. Wenn wir eine wirklich leistungsorientierte Gesellschaft schaffen wollen, sollten wir nicht nur für Chancengleichheit sorgen, sondern bis zu einem gewissen Grad auch für gleiche Ausgangsbedingungen aller Kinder. Die Menschen sollten durch Arbeitslosengeld und öffentlich finanzierte Umschulungsmaßnahmen eine echte, nicht nur eine oberflächliche zweite Chance erhalten. Arme Menschen in armen Ländern sollten nicht selbst für ihre Armut verantwortlich gemacht werden, wenn die wahren Ursachen in der Armut ihrer nationalen Volkswirtschaften und der Einwanderungskontrolle der reichen Länder zu suchen sind. Marktergebnisse sind keine »natürlichen« Phänomene. Sie können verändert werden.

    Fünftens: Wir müssen die Herstellung von Dingen wieder ernster nehmen.
    Unsere postindustrielle Wissensgesellschaft ist ein Mythos. Der herstellende Sektor spielt nach wie vor eine zentrale Rolle.
    Insbesondere in den USA und Großbritannien, aber auch in vielen anderen Ländern, hat man den Rückgang der Industrie in den letzten paar Jahrzehnten als Unvermeidlichkeit eines postindustriellen Zeitalters betrachtet und ihn teilweise sogar als Anzeichen für einen Erfolg der postindustriellen Wirtschaft gewertet.
    Wir sind jedoch materielle Wesen und können nicht von Ideen allein leben, so großartig der Begriff »Wissensgesellschaft« auch klingen mag. Zudem haben wir schon immer in einer Wissensgesellschaft gelebt: Stets hat am Ende die Verfügbarkeit überlegenen Wissens und weniger die physische Leistung darüber entschieden, welche Länder arm und welche reich waren. Tatsächlich produzieren die meisten Gesellschaften immer mehr »Dinge«. Nur weil diejenigen, die diese Dinge herstellen, wesentlich produktiver und die Dinge damit vergleichsweise billiger geworden sind als Dienstleistungen, glauben wir, dass wir keine »Dinge« mehr brauchen.
    Sofern man nicht in einem kleinen Steuerparadies lebt (ein Status, der sich im Nachfeld der Krise von 2008 immer schwerer aufrechterhalten lässt), etwa in Luxemburg und Monaco, oder in einem kleinen Land, das im Öl schwimmt, wie Brunei und Kuwait, muss man seine Wirtschafts- und Gebrauchsgüterproduktion verbessern, um den eigenen Lebensstandard zu erhöhen. Die Schweiz und Singapur, die oft als Beispiele postindustrieller Erfolgsgeschichten genannt werden, sind in Wahrheit hoch industrialisierte Volkswirtschaften. Zudem sind die meisten hoch bezahlten Dienstleistungen Parasiten des herstellenden Sektors (etwa Finanzdienstleistungen und technische Beratung). Mit Dienstleistungen lässt sich darüber hinaus schlecht handeln. Ein übergroßer Dienstleistungssektor macht also die Zahlungsbilanzsituation prekärer, wodurch sich wiederum das Wirtschaftswachstum schwerer stabilisieren lässt.
    Der Mythos der postindustriellen Wissensgesellschaft hat auch unsere Investitionen in die falsche Richtung gelenkt. Er hat beispielsweise eine Überbetonung auf formale Bildung gelegt, deren Auswirkung auf das Wirtschaftswachstum sich als höchst komplex und unsicher erweist, sowie auf die Verbreitung des Internets, dessen Auswirkungen auf die Produktivität eher bescheiden sind.
    Investitionen in »lang weilige«
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