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23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

Titel: 23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)
Autoren: Ha-Joon Chang
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Dinge wie Maschinen, Infrastruktur und Ausbildung müssen durch entsprechende Änderungen der Steuergesetze (etwa eine schnellere Abschreibung für Maschinen), gezielte Subventionen (etwa bei der Aus- und Weiterbildung) oder öffentliche Investitionen (etwa in die Entwicklung der Infrastruktur) gefördert werden. Die Industriepolitik muss neu gestaltet werden, damit die Schlüsselbereiche durch einen großen Spielraum bei der Produktivitätssteigerung gefördert werden.

    Sechstens: Es muss eine bessere Balance zwischen Finanzgeschäften und »echten« Aktivitäten hergestellt werden.
    Eine produktive moderne Volkswirtschaft kann ohne ein gesundes Finanzwesen nicht existieren. Unter anderem spielt es eine zentrale Rolle dabei, das Missverhältnis zwischen Investitionen und den daraus resultierenden Erträgen volkswirtschaftlich auszugleichen. Dingliche Werte, deren Charakteristika nicht schnell verändert werden können, lassen sich dank des Finanzwesens »verflüssigen«, was uns wiederum dabei hilft, Ressourcen rasch umzuverteilen.
    In den letzten drei Jahrzehnten jedoch ist das Finanzwesen zum sprichwörtlichen Hund geworden, der sich selbst in den Schwanz beißt. Die Liberalisierung des Finanzmarkts hat bewirkt, dass sich Geld nun wesentlich leichter bewegen lässt, auch über Staatsgrenzen hinweg. Dadurch wurden die Investoren ungeduldiger und erwarteten zunehmend rasche Ergebnisse. Als Folge davon waren sowohl Konzerne als auch Regierungen gezwungen, eine Politik der schnellen Profite zu betreiben und langfristige Entwicklungen dabei außer Acht zu lassen. Finanzinvestoren haben ihre größere Beweglichkeit dazu genutzt, sich ein größeres Stück vom Kuchen des nationalen Einkommens abzuschneiden. Die Vereinfachung des Geldverkehrs mündete zudem in einer größeren finanziellen Instabilität und höherer Arbeitsplatzunsicherheit (einer Voraussetzung für schnelle Profite).
    Der Finanzmarkt muss gebremst werden. Dazu müssen wir nicht ins Zeitalter von Schuldgefängnissen und kleinen, aus persönlichen Ersparnissen finanzierten Manufakturen zurückkehren. Wenn wir den Geschwindigkeitsunterschied zwischen Finanz- und Realwirtschaft nicht drastisch verringern, können wir keine Langzeitinvestitionen und damit auch kein reales Wachstum anregen, weil Investitionen in die Produktion oft lange Zeit brauchen, bis sie Früchte tragen. Japan betrieb vierzig Jahre lang eine Protektions- und Subventionspolitik, bis seine Automobilindustrie zu einem internationalen Erfolg wurde, obwohl man das günstige Preissegment im Auge hatte. Nokia brauchte siebzehn Jahre, bevor es überhaupt Gewinne im Elektronikbereich machte, wo es heute zu den Weltmarktführern zählt. Als Folge einer zunehmenden finanziellen Deregulierung operiert die Welt jedoch mit immer kleineren zeitlichen Horizonten.
    Finanztransaktionssteuern, Beschränkungen internationaler Kapitalströme (insbesondere in und aus Entwicklungsländern) oder strengere Regeln für Fusionen und Übernahmen sind nur einige Maßnahmen, die den Finanzmarkt so weit bremsen können, dass er der Realwirtschaft dient, anstatt sie zu schwächen oder sie gar zum Entgleisen zu bringen.

    Siebtens: Der Staat muss stärker und aktiver werden.
    In den letzten drei Jahrzehnten haben uns marktliberale Ideologen immer wieder erzählt, der Staat sei ein Teil des Problems, an dem unsere Gesellschaft kränkelt, und nicht die Lösung. Natürlich gibt es Beispiele, in denen Regierungen zum Teil spektakulär versagt haben, aber auch Märkte und Konzerne versagen. Außerdem gibt es viele Beispiele, in denen staatliches Handeln zu beeindruckenden Erfolgen geführt hat. Die Rolle des Staates muss von Grund auf neu überdacht werden.
    Dabei geht es nicht nur um Krisenmanagement, wie es seit 2008 selbst in überzeugt liberalen Volkswirtschaften wie den USA betrieben wird. Es geht vielmehr darum, eine wohlhabende, gerechte und stabile Gesellschaft zu schaffen. Trotz all ihrer Schwächen und Angriffspunkte ist die Demokratie immer noch das beste Vehikel, das wir haben, um mit der Interessenkollision in unserer Gesellschaft fertig zu werden und den allgemeinen Wohlstand zu heben, was noch weitaus wichtiger ist. Wenn wir uns überlegen, wie eine optimale staatliche Wirtschaftspolitik aussehen könnte, müssen wir uns von einigen Binsenweisheiten verabschieden, mit denen die Marktliberalen gern um sich werfen.
    Man sagte uns immer, ein starker Staat, der bei den Reichen hohe Einkommensteuern erhebt und sie
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