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2298 - Bericht eines Toten

Titel: 2298 - Bericht eines Toten
Autoren: Unbekannt
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schlimm, aber nicht das Schlimmste. Das war das Warten.
    Ich sorgte telekinetisch für eine leichte Luftbewegung. Nicht nur in diesem Appartement, über ganz Neapel hatte sich eine merkwürdige Atmosphäre aufgebaut. Die Luft schien stillzustehen, auf etwas zu warten.
    Wie wir alle.
    Auf den Ausbruch des Vulkans? Ich grinste schwach. Wohl eher auf den der Sonne. Oder darauf, dass irgendetwas geschah. Ich war kein Vulkanologe, musste aber auch keiner sein, um zu wissen, dass hier etwas ganz faul war.
    Ich sah zu Homer hinüber. Er hatte beobachtet, wie Bully, Tolot und ich aus dem Stock-Relais geflohen waren. Das Gedankenmuster des ältesten lebenden Menschen war mir vertraut, strahlte sozusagen hell in dem grauen Einerlei von Millionen und Abermillionen anderer Impulse. Und Homer verstand es, seine Gedanken klar und deutlich zu formulieren.
    Er hatte mir einen sicheren Treffpunkt genannt - das Appartement, das er für sich, Mondra Diamond und Norman gemietet hatte. Von dort aus war ich dann ein wenig durch die Gegend teleportiert, bis ich ein verlassenes Lagerhaus beim Hafen von Neapel gefunden hatte, das für unsere Zwecke besser geeignet war.
    Es war keine gute Idee, einen Haluter in einem Wohnhaus für Terraner zu verbergen. Icho hätte sich in der Wohnung nicht aufrichten können; und wollte er nicht das ganze Haus in Trümmer legen, hätte er sie auch nur verlassen können, indem ich ihn teleportierte.
    Bully und Icho hatte ich unmittelbar darauf in das Lagerhaus gebracht.
    Und seitdem ... seitdem war buchstäblich nichts passiert! Seitdem warteten wir.
    Was ist bloß mit Perry los?, dachte ich erneut. Warum greift er nicht ein? Viel Zeit blieb uns nicht mehr ... „Es ist in den letzten Stunden noch heißer geworden, oder bilde ich mir das nur ein?" Bully wischte sich den Schweiß von der Stirn. Soviel wir auch tranken, wir schienen es nur umso schneller wieder auszuschwitzen. „Kein Wunder. Sieh dir die gute alte Sonne an." Ich ließ kurz den Nagezahn aufblitzen. „Sie hat kräftig zugelegt. Mondra würde in diesem Zustand mit einer Nulldiät anfangen." Ich blinzelte Perrys ehemaliger Gefährtin zu. „Wenn es nicht so heiß wäre, würde ich dir für diese Bemerkung das Fell über die Ohren ziehen." Mondra schnitt müde eine Grimasse. „Aber momentan käme das für dich ja eher einer Linderung gleich."
    Ich warf ihr einen giftigen Blick zu. Mein Fell! Ich hatte es erst vor kurzem auf ewig verloren geglaubt und darunter gelitten wie ... wie, nun, ich glaube nicht, dass schon einmal jemand so gelitten hatte. Um ihr zu zeigen, was ich von einem solchen Scherz hielt, sah ich angelegentlich aus dem Fenster. Am flirrenden Himmel über Neapel flammte die Sonne unvermindert kräftig. Sie lähmte jegliche Betriebsamkeit in der Gegend. Mensch, Mausbiber und Tier litten unter ihr. Die Temperatur lag bei unerträglichen 45 Grad Celsius im Schatten. Ich glaubte sehen zu können, wie der Glutball sich kurz aufblähte und dann wieder schrumpfte.
    Ich wandte mich vom Fenster ab und schwebte zu Icho hinüber, der auf allen sechsen vor den Ortungsgeräten hockte, die wir in dem Lagerhaus aufgebaut hatten. „Ich verstehe das nicht", brummte Tolot. Ein Schalldämmungsfeld hüllte ihn ein; der Projektor baumelte vor seiner Brust. Ohne diese Vorrichtung hätte selbst das leiseste Flüstern des vierarmigen Riesen die halbe Besatzung der Docks angelockt. Homer hatte mir gesagt, wo ich einen finden würde, und ich hatte ihn einfach requiriert. Der gute Zweck heiligte das schlechte Mittel.
    Ein Haluter in der Küche, dachte ich. Öfter mal was Neues.
    Icho war nicht gerade ein Wesen, das sich auf seine Gefühle verließ; dafür sorgte schon sein Planhirn. Mit einer Geschicklichkeit, die man seinen riesigen Pranken niemals zugetraut hätte, hantierte er an den Geräten. Seit ebenfalls etwa zwei Tagen legten sie immer wieder unerklärliche Funktionsausfälle an den Tag. „Wann kriegen wir es denn von dir amtlich, dass es brüllend heiß ist?" Ich schwebte höher, bis ich dem Riesen ins mittlere Auge sehen konnte, ohne den Kopf in den Nacken zu legen.
    Icho gab wieder ein tiefes Grummeln von sich. „Wenn es nur die Hitze wäre, Guckytos, könnten wir bald wieder aufatmen. Aber es handelt sich definitiv um den Beginn der Entwicklung, mit der die Sonne zur Nova wird."
    Haluter hatten nie einen Sinn für Humor gehabt, und waren die Scherze noch so schlecht. Ich ließ mich zu Boden sinken und sah ausnahmsweise stumm zu den anderen
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