Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

2256 - Bahnhof im Weltraum

Titel: 2256 - Bahnhof im Weltraum
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
intergalaktischen Leerraum ermöglicht hatten. Er dagegen war reiner Geist, scharf und facettenreich wie geschliffener Diamant, nur in den Zeiten des Brütens und Gebarens von Emotionen erfüllt, die ihn sanft steuerten, aber nie kontrollierten.
    Allein der Hunger forderte seinen Tribut, die heiße Gier, das urtümliche Verlangen nach Sättigung.
    Er stöhnte auf, während sein Geist weiterwanderte, auf der Suche nach einem der Anderen, der seinen Hunger stillen und die Brut in ihm nähren konnte. Schließlich fand er einen unweit von seinem Versteck, allein durch die Korridore wandernd, ziellos und ohne Sinn, von unsichtbaren Ketten gefesselt, die von den Relais geschmiedet worden waren, ohne dass die Anderen in ihrer Einfalt etwas davon ahnten.
    Sie waren wie Vieh, zum Schlachten bestimmt.
    Seine Beißzangen klapperten in hungriger Erwartung, als er seinen Geist nach dem einsamen Wanderer ausstreckte und ihn lautlos zu sich rief. Gehorsam folgte der Andere seinem Ruf, und er schauderte voller Gier. Ungeduldig verharrte er in seinem Versteck, strich mit den Klauenhänden über seinen aufgeblähten Leib, in dem die Brut heranwuchs, und Geifer tropfte aus seinem Maul.
    Der Hunger war jetzt übermächtig, nahezu unerträglich.
    Einen Moment fürchtete er, dass der Andere aus seinem Dämmerzustand erwacht war, in den die Relais ihn versetzt hatten, dass er dem Ruf widerstand und nicht zu ihm kommen würde. Aber schon hörte er Schritte nahen, schon spürte er die Präsenz des Anderen deutlicher als zuvor, eine Sonne in der Finsternis, ein Leuchtfeuer in der Leere.
    Komm her, lockte er ihn. Komm her zu mir. Hab keine Angst...
    Dann sah er seine Silhouette in der Dunkelheit, ein Humanoider mit zwei Beinen, zwei Armen und einem ovalen Kopf mit absurd kleinen Augen, stummelartiger Nase und rotlippigem Mund. Der Andere war hässlich wie alle seiner Art, ein Monstrum, von einer blinden Natur gezeugt, das Produkt einer pervertierten Evolution. Er trug einen grauen Overall, der sein Fleisch verhüllte, und sein Fleisch war köstlich trotz seiner abstoßenden Hässlichkeit.
    Der Brüter stöhnte wieder, im Würgegriff des Hungers gefangen, eine Marionette der Gier, an deren Fäden er nun zappelte, als wäre er ein hormongesteuertes Tier wie die Anderen und keine wahre Intelligenz.
    Komm her, lockte er wieder lautlos mit der Stimme seines Geistes. Fürchte dich nicht.
    Ich habe etwas Wunderschönes für dich ...
    Der Andere blieb stehen. Irgendetwas schien ihn zu schrecken, zu warnen, trotz der Kontrolle, die die Relais über ihn ausübten, trotz des suggestiven Lockrufs, der seine Willenskraft lähmte. Es war, als wüsste er, was ihn erwartete, als ahnte er die schreckliche Wahrheit.
    Vielleicht war es ein Instinkt.
    Vielleicht lag es an den weißen, abgenagten Knochen, die sich ringsum hell in der Dunkelheit abzeichneten.
    Vielleicht war es der massige, geblähte Leib des Brüters selbst, der ihm Furcht einflößte.
    Komm zu mir, rief er dem Anderen zu und intensivierte die Kraft seines Gedankenimpulses, um dem Zaudern ein Ende zu machen. Ich bin die Antwort deiner Träume, ich bin die Erfüllung deiner Wünsche, ich bin die Vollkommenheit, nach der du dich sehnst. Ich bin alles, wonach du je gestrebt hast. Also zögere nicht, sondern komm her zu mir ...
    Der Andere machte einen unsicheren Schritt. Sein Gesicht war leer und ausdruckslos, doch in seinen Augen flackerte eine Qual, die der Brüter bereits bei seinen Vorgängern gesehen hatte, ein Schmerz, der der Ahnung des nahenden Endes entsprang. Ein weiterer Schritt folgte und noch einer.
    Die Beißzangen des Brüters waren nass vom klebrigen Geifer. Sie mahlten und klapperten in kaum zu bezähmender Gier, stählern hart und scharf wie Rasierklingen.
    Sein Maul klaffte auf, finster und abgrundtief wie der Weltraum. Sein aufgequollener Leib erbebte.
    Der Andere war jetzt nur noch wenige Meter von ihm entfernt. Er konnte sein aromatisches Fleisch riechen, die verführerische Süße seines Blutes, vom Angstschweiß pikant gewürzt. Ein Gurgeln drang aus dem Mund des Anderen, und er hob in einer sinnlosen abwehrenden Geste die Hand, als könnte er so die Nemesis vertreiben, die vor ihm in der Dunkelheit lauerte und sich hungrig nach ihm verzehrte.
    Komm zu mir ... Komm her, komm her...!
    Mit steifen Bewegungen trat der Andere einen weiteren Schritt näher, wie eine Puppe, von unsichtbarer Hand gelenkt, obwohl sich alles in ihm davor fürchtete und seine Angst mit jedem Moment
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher