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222 - Angriff auf die Wolkenstadt

222 - Angriff auf die Wolkenstadt

Titel: 222 - Angriff auf die Wolkenstadt
Autoren: Jo Zybell
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länger irrte sie schon durch diese Wüste. Wie lange genau, wusste sie nicht. Irgendwann hatte sie aufgehört, die Tage zu zählen.
    Um Durst und Hunger und Erschöpfung nicht zu spüren, hatte sich ihr Geist tief in ihr Gehirn zurückgezogen; und um sich vor ihr zu schützen, vor der Anderen. Nefertari.
    Ein mentaler Schutzwall umgab Aruulas Geist. Sie hatte ihn noch verstärkt in den letzten Wochen. Hinter ihm wartete sie auf ihre Stunde. Sie würde kommen, und solange ließ sie die Andere ihren Körper beherrschen.
    Sollte Nefertari doch die glühende Luft in Kehle und Lunge brennen spüren! Sollte sie doch Hunger und Durst empfinden, den wunden, rissigen, trockenen Lappen im Gaumen kleben spüren, der einmal ihre Zunge gewesen war!
    Orguudoo sollte ihn holen, den fremden Hydritengeist, der sich in ihrem Hirn eingenistet hatte.
    Aruula verabscheute die geistige Invasorin. Aus ihrem mentalen Schutzwall heraus belauerte sie jede ihrer Bewegungen, jeden ihrer Gedanken, der ihr zugänglich war.
    Jetzt zum Beispiel überlegte die Fremde, ob Palme und Vögel nicht Realität sein könnten. Sie war am Ende ihrer Kraft!
    Aruula registrierte es voller Genugtuung.
    Wieder blieb das Kamshaa stehen. Aruulas Körper schwankte im Sattel hin und her. Obwohl sie ihn nicht kontrollieren konnte, spürte sie es. Das Kamshaa zitterte. Es stieß ein krächzendes Blöken aus, kraftlos und jämmerlich. Es war das letzte Tier, das ihnen geblieben war; die beiden anderen hatte die Wüste verschlungen. Sandstürme, Erschöpfung, Treibsand, wilde Tiere, Frakturen.
    »Weiter«, krächzte Nefertari.
    Das Kamshaa machte noch einen Schritt und dann noch einen und dann knickte es in den Vorderläufen ein und sank auf die Knie.
    »Steh auf, Tier…«
    Das Kamshaa ließ den Schädel sinken.
    »Du sollst aufstehen…!«
    Das Kamshaa kippte langsam zur Seite und schlug im Sand auf. Nefertari rollte sich ab, um nicht unter dem Tier begraben zu werden, und blieb dann reglos liegen.
    Aruula belauerte sie. Deutlich konnte sie die Gedanken der Anderen erkennen. Es ist angenehm, hier im Sand zu liegen, dachte sie. Wenn ich die Augen schließe, schlafe ich einfach ein, und alles wird gut, dachte sie. Aruula sammelte ihre mentalen Kräfte. Sie musste angreifen, sie musste diese lästige mentale Invasorin vertreiben. Wenn nicht jetzt, wann dann?
    Nefertari schloss nicht die Augen, blieb auch nicht liegen.
    Sie richtete sich auf. Sie schluckte trocken, sie atmete schwer, ihre Augen waren noch die Augen einer Frau, die im Begriff war, sich mit dem nahen Tod abzufinden. Ihr Geist jedoch – ein bewundernswürdig starker Geist – stemmte sich gegen das scheinbar Unvermeidliche. Auf Händen und Knien kroch sie zu dem Kamshaa.
    Mit jeder Faser ihres Bewusstseins lauerte Aruula auf den Geist der Anderen. Sie konzentrierte alle mentale Kraft auf den Moment des Angriffs. Es musste schnell gehen, das war klar, denn sobald sie ihren geistigen Schutzwall aufgab, um sich dem Willen der Anderen entgegen zu stemmen, würde sie auch ihren eigenen Körper wieder spüren – und mit ihm seine maßlose Erschöpfung.
    Nefertari warf sich über den Nacken des Kamshaas. Ihre Lippen und ihre Zunge sahen aus wie tief eingekerbte Holzsplitter. Das Tier hechelte nur noch, es starb bereits.
    Nefertari griff nach dem Dolch in ihrem Gurt und riss ihn aus der Scheide. Nach diesem Kraftakt sank ihr Kopf auf das sandige, verfilzte Fell des Kamshaas. Ein, zwei Minuten lang schöpfte sie Atem und neue Kraft. Dann endlich richtete sie sich auf, holte aus und rammte die Klinge in die Halsschlagader des Tieres. Das zuckte nicht einmal.
    Wieder sank Nefertaris Kopf in das Fell, wieder schöpfte sie Kraft, wieder schnappte sie nach Luft. Schließlich zog sie den Dolch aus dem pelzigen Hals des Kamshaas. Dickes Blut quoll schwallartig aus der Wunde; sie hatte die Halsschlagader getroffen.
    Eine Zeitlang starrte Nefertari die pulsierende rotschwarze Quelle an. Sie blinzelte, als traute sie ihren Augen nicht, sie schluckte, als müsste sie ihren Ekel überwinden. Endlich beugte sie sich über den Hals des sterbenden Tieres, riss den Mund auf und presste die Lippen über die Blutquelle ins Fell.
    Sie trank und trank und trank. Irgendwann rollte sie sich auf den Rücken. Ausgestreckt lag sie über dem toten Kamshaa und schloss die Augen.
    Das war der Augenblick, in dem Aruula den mentalen Schutzwall um ihren Geist aufgab und angriff. Mit aller Willenskraft, die ihr zur Verfügung stand, fiel sie
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