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2207 - Der letzte Gesang

Titel: 2207 - Der letzte Gesang
Autoren: Unbekannt
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zur Wahrheit unterhielten, soweit es Erzählungen betraf. Die Motana verfälschten die Wahrheit nicht systematisch, opferten sie aber bedenkenlos, wenn sie einer guten Geschichte im Weg stand.
    Der Koch übertraf sich mit immer neuen skurrilen Erzählungen, nicht nur von den Vorbereitungen für dieses Fleischfest, sondern auch aus seinem Alltag. Das Publikum belohnte seine Schilderungen mit lautem musikalischen Gelächter.
    Rhodan versuchte Blickkontakt mit Lesyde aufzunehmen. Das Mädchen hatte sich einen Platz schräg gegenüber von Rhodan erobert und hockte eingeklemmt zwischen wuchtigen Erwachsenen. Beinahe fürchtete der Terraner, sie würde von ihren sich vor Lachen schüttelnden Nachbarn erdrückt. Lesyde starrte auf den Boden, offenbar ungerührt von den Geschichten des Kochs, gefangen in ihrer eigenen, zweifellos von furchtbarer Angst vor einer Blamage bestimmten Welt.
    Der Terraner konnte es ihr nicht verdenken. Er selbst konnte ja sein eigenes Lampenfieber kaum im Zaum halten.
    Dabei war er ein Fremder. Das Publikum würde es ihm zugute halten und nicht mit voller Schärfe über ihn urteilen. Lesyde dagegen würde an dem gemessen, was die übrigen Motana boten.
    Sollte ihr Auftritt nicht an seine Erwartungen heranreichen, würde das Publikum keine Gnade kennen, und - vielleicht das Schlimmste von allem - die Blamage würde Lesyde ein Leben lang verfolgen.
    Rhodan hatte das Beste getan, um das Mädchen vorzubereiten. In den wenigen wie dahinfliegenden Stunden, die ihnen geblieben waren, nachdem der Terraner den Knochen zu seiner Zufriedenheit bearbeitet hatte. Doch Rhodan war kein geübter Lehrer, und was er Lesyde abverlangte, war unerhört unter den Motana. Das Mädchen hatte lange gebraucht, auch nur einen kleinen Teil seiner Befangenheit zu verlieren - und es gab keine Garantie, dass sie angesichts Tausender Zuschauer nicht schlagartig wieder zurückkehrte und Lesyde lähmte.
    Das Fleischfest nahm seinen Lauf.
    Motana um Motana trat auf die Bühne.
    Nach und nach veränderte sich der Charakter der Beiträge: Immer geringer wurde der Anteil der Geschichten, immer stärker der Hang zum reinen Gesang, bis schließlich Künstler und Publikum miteinander verschmolzen, in einen Wechselgesang von solcher Intensität eintraten, dass der Knoten in Rhodans Magen sich immer schmerzhafter zusammenzog.
    Irgendwann, es musste auf Mitternacht zugehen, beugte sich Zephyda zu Atlan und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    Die beiden erhoben sich und traten auf die Bühne.
    Sie gingen in die Mitte und blieben einander gegenüber stehen, zwei, drei Schritte auseinander, die Köpfe gesenkt.
    Das Publikum stellte seine Gesänge ein.
    Stille legte sich über den Platz.
    Atlan machte den Anfang. Ohne den Kopf zu heben, summte er eine getragene Melodie. Langsam steigerte er die Lautstärke, bis sie auch in den letzten Reihen und für die Motana hörbar war, die im Waldgürtel der Festung Wache hielten.
    Dann stimmte Zephyda ein. Die Wegweiserin warf den Kopf in den Nacken und sang. Ihre helle Stimme stand in einem eigentümlichen Kontrast zu Atlans tiefem Summen. Zephyda sang in Jamisch. Das und die ungewohnte Art des Vortrags bewirkten, dass Rhodan das Lied erst erkannte, als Atlan sein Summen unterbrach und die ersten Verse sang.
    Das Lied, das Zephyda und Atlan im Duett vortrugen, war eine alte arkonidische Ballade. Sie handelte von dem gerechten Imperator, der von hinterhältigen Thronräubern ermordet wird. Vom Sohn des Imperators, dem Kronprinzen, der von den Mördern um sein Recht gebracht und wie ein Tier durch das Reich gejagt wird. Davon, wie der Sohn seinen Häschern entkommt, Freunde und Verbündete gewinnt, beharrlich auf Rache sinnt und schließlich die Mörder seines Vaters zur Strecke bringt.
    Nach menschlichen Maßstäben war Atlan allenfalls ein mittelmäßiger Sänger und dazu noch ungeübt. Nach den Maßstäben der Motana ... Rhodan konnte nur Mutmaßungen anstellen, aber er schätzte, dass die Bezeichnung „Krummkehlchen" im Falle Atlans eher als Kompliment aufzufassen gewesen wäre.
    Doch es machte nichts. Zephyda war eine kluge Lehrerin. Sie hatte Atlan davor bewahrt, sich zu übernehmen, Kunststücke zu versuchen, an denen er unweigerlich gescheitert wäre. Stattdessen hatte sie erkannt, dass Atlans tiefe, volle Stimme einen perfekten Kontrapunkt zu ihrer eigenen setzte.
    Der Vortrag des Arkoniden war ein Sprechgesang, der dem ähnelte, was die Motana bei belangloser Alltagskonversation benutzten.
    Was ihn
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