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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
Autoren: Karl May
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verbunden war; darüber stand das Verdoppelungszeichen.
    „Er muß dir aber doch gesagt haben, für wen dieser Brief bestimmt ist“, sagte ich.
    „Das hat er auch getan.“
    „Nun?“
    „Der Mann, der ihn bekommen soll, heißt Ghulam.“
    „Was ist er?“
    „Das weiß ich nicht.“
    „Wo wohnt er?“
    „Auch das weiß ich nicht.“
    „Höre, lieber Halef, du scheinst in dieser Angelegenheit nichts weniger als allwissend zu sein!“
    „Dafür kann ich nichts, Sihdi, sondern das heiße Zuckerwasser mit Raki ist schuld. Der Kawedschi wollte mir so sehr viel sagen, konnte sich aber auf nichts besinnen, weil sein ganzes Gedächtnis in dieser süßen Flüssigkeit ertrunken war und alle meine Wiederbelebungsversuche nichts mehr fruchteten.“
    „So hast du dich ganz vergeblich bemüht; dieser Brief, der uns vielleicht von großem Vorteil sein könnte, wird uns keinen Nutzen bringen. Oder hast du es daran mangeln lassen, den Kawedschi in der richtigen Weise auszufragen?“
    „Nein, gewiß nicht, ganz gewiß nicht, Sihdi. Du kennst mich da nur zu wohl und weißt, daß ich den Mund auf der Stelle habe, wo er sitzen muß, wenn man jemandem ein Geheimnis abzulocken hat; aber die Geheimnisse dieses Mannes waren infolge seiner Betrunkenheit so außerordentlich geheim, daß er sie selbst nicht mehr kannte. Da war alle meine Mühe umsonst. Wenigstens glaube ich nicht, daß du, wenn du an meiner Stelle gewesen wärst, mehr als ich erfahren hättest.“
    „Möglich! Erzähle mir richtig der Reihe nach, was du mit ihm gesprochen hast! Wir sind in Bagdad übereingekommen, daß du einen Ring der Sillan stets bei dir haben sollst. Ich brauchte dir ihn heut' also nicht erst zu geben. Als du hier von uns fortgingst, saß der Kawedschi da draußen im Vorraum auf seinem Kissen. Der Somali war bei ihm, schnarchte aber schon. Wir haben uns hier absichtlich laut und angelegentlich unterhalten, als ob wir gar keine Zeit hätten, zu bemerken, daß du so lange Zeit nicht bei uns warst. Nun weiter!“
    „Weiter Sihdi? Ich habe ja noch gar nicht angefangen! Ich steckte den Ring an den Finger und schlenderte hinaus zu dem Kawedschi hin. Ich war ihm sehr willkommen, und er fing sofort selbst mit mir an, denn er war sehr neugierig, zu erfahren, wer Ihr seid.“
    „Jedenfalls hast du da den Mund sehr voll genommen!“
    „Warum soll ich das nicht? Wenn ich einmal etwas in den Mund nehme, so muß es etwas Ordentliches sein, damit ich auch wirklich einen Genuß davon habe. Ich gab dich für den Minister des Sultans von Sitschilia (Sizilien) und Mr. Lindsay für den obersten Sterndeuter des Kaisers von Antakijeh (Antiochien) aus. Von mir selbst sagte ich, daß ich ein Montefik-Beduine bin und von Euch gemietet sei, Euch nach Buschehr und Schiras zu begleiten. Sobald mir dies über die Lippen gegangen war, glaubte ich, einen Fehler gemacht zu haben, denn der Kawedschi brauchte doch nicht zu wissen, wohin wir wollen. Aber es waren mir nicht gleich andere Namen in den Mund und andere Gegenden in den Kopf gekommen, und es stellte sich nachher heraus, daß grad diese beiden Städte mir sein Herz geöffnet hatten. Er lud mich ein, mich zu ihm zu setzen, und als ich das getan hatte, sprachen wir zunächst von den unendlichen Vorzügen des heißen Zuckerwassers, welches die eigentliche und richtige Weihe seines Vorhandenseins erst durch einen Zuguß von Araki bekommt. Dabei hielt und bewegte ich die Hand in der Weise, daß er den Ring sehen mußte. Es dauerte das zwar ziemlich lange, denn der Araki hatte die Zahl seiner Augen so vermehrt, daß er, wie er mir gestand, mich fünfzigmal sah und meine Hände sogar über zweihundertmal erblickte. Er schien also zweitausend Finger vor sich zu haben, was ihn so in Anspruch nahm, daß er für den Ring zunächst keine Spur von Aufmerksamkeit besitzen konnte. Aber als er ihn erst einmal entdeckt hatte, war der Eindruck, den er von ihm bekam, auch um so größer. Er bat mich, ihn betrachten zu dürfen. Natürlich erlaubte ich es ihm. Er gab mir die Hand und begrüßte mich als Sill, als ‚Schatten‘, als Verbündeten, als heimlichen Kameraden. Er hielt mir eine große Rede, die aber so wenig Sinn hatte, daß sie nicht einmal als Unsinn bezeichnet werden kann. Ich konnte von hundert Worten, welche er sprach, kaum zehn verstehen, denn sein Mund glich einer mit Riri (Leim, Kleister) gefüllten Tandschara (Topf), in welcher sich die Zunge wie ein Quirl bewegte. Er erkundigte sich immer wieder, ob ich wirklich
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