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215 - Die Macht des Sehers

215 - Die Macht des Sehers

Titel: 215 - Die Macht des Sehers
Autoren: Jo Zybell
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Stück von seinem Körper weg und spähte hinein. Irgendwie erleichtert schloss er danach seinen Gurt wieder. Offenbar war noch vorhanden, um was er gefürchtet hatte. Leise begann er vor sich hin zu fluchen.
    Auch der Große Kriegshäuptling fluchte. »Meine armen Fischlein!«, fauchte er. »Und morgen früh wollte ich Meister Haggard auf das unterirdische Tunnelsystem ansetzen!« Er ballte die Fäuste und schoss einen zornigen Blick auf den röchelnden Seher ab. »Das kann ich jetzt erst mal vergessen!«
    Er spuckte ins Bassin. »Zur Strafe kriegt Haggard kein Schmerzmittel mehr.«
    Loykass kehrte mit dem Bader zurück. Der versorgte die Wunden des blutenden Yann.
    »Bringt ihn in seine Zelle!«, befahl Wyluda, als der Seher verbunden war. »Ihr beide garantiert mir für sein Leben! Einer sitzt links seines Bettes, der andere rechts. Ist das klar?«
    Loykass warf sich den ohnmächtigen Seher über die Schulter. Woyzakk nickte grimmig. Beide zogen ab.
    Der Bader räumte seine Instrumente zusammen und trat zu Wyluda. »Ich fürchte, du musst deine Kriegspläne verschieben«, sagte er.
    »Natürlich muss ich das!«, zischte Wyluda. »Hast du nicht gesehen, in welchem Zustand meine Geheimwaffe ist?«
    »Doch«, sagte der Bader, »aber ich spreche nicht von dem bedauernswerten Seher, ich spreche vom Wetter.« Der Kriegeshäuptling sah ihn verständnislos an. »Der Wetterprophet hat einen Orkan angekündigt. In wenigen Tagen soll er angeblich losbrechen…«
    ***
    Drei Tage später landete die Roziere vor den Toren einer Ruinenstadt unweit der Küste. Die Siedlung an der Nordspitze Madagaskars hieß Ansiraana. Sie lag an jenem Hafen, in dem die SCHELM damals vor Anker gegangen war, um Proviant aufzunehmen und den verletzten Seher und Keetje an Land zu setzen.
    Keine halbe Stunde nach der Landung hatten sich mindestens sechzig Männer und Frauen um die Roziere versammelt. Die meisten waren schwarz, einige hatten samtbraune Haut. Die Männer waren mit Armbrüsten und Wurflanzen bewaffnet. In den Händen der meisten Frauen erkannt Matt Wurfgeschosse: Steine, Knüppel und mit Metallsplittern und Glasscherben gespickte, halbverfaulte Früchte.
    Matt Drax, selbst nur mit seinem neuen Degen und einem Steinschlossgewehr bewaffnet, trat aus der Gondelluke und streckte der Menge die leeren Handflächen entgegen. Die Flinte hing auf seinem Rücken.
    De Rozier blieb zunächst in der Gondel zurück. Durch eines der Fenster beobachtete er die Menge, während er die vier Steinschlossflinten lud. Erst als er sah, dass die Männer und Frauen Matts friedliche Geste verstanden und Waffen und Wurfgeschosse sinken ließen, verließ auch er sein Luftschiff.
    »Wir sind auf dem Durchflug gewissermaßen«, rief er den Anführern zu. Er benutzte einen der Dialekte, wie sie an der Südgrenze seines Hoheitsgebietes von einigen Nomadenstämmen gesprochen wurden. Tatsächlich verstanden ihn die Ruinenbewohner. »Wir suchen den Seher«, sagte de Rozier. »Den Seher, versteht ihr? Er heißt Yann Haggard. Wohnt er nicht zufällig hier in der Stadt?«
    Die Leute sahen einander ratlos an und schüttelten die Köpfe. Einige der Eingeborenen palaverten miteinander. Drei Männer und vier Frauen wagten sich kurze Zeit später bis zur Gondel. Gestenreich beschrieben sie den beiden Weißen den Weg zur Wohnstätte des Sehers. Angeblich lebte er in einem Boot, das vor Jahrzehnten schon aufs trockene Land geworfen worden war.
    »Irgendwo weiter südlich an der Küste«, übersetzte de Rozier. »Es scheint nicht weit zu sein.«
    Der Kaiser verschenkte Pralinen und die letzten Reste Kuchen. Der hing ihnen selbst inzwischen zum Hals heraus.
    Während der Franzose sein Luftschiff wieder startete und es sich vom Boden löste, streckten jene Eingeborenen, die leer ausgegangen waren, fordernd die Hände aus. Einige drohten wütend mit den Fäusten. Nur diejenigen, die Pralinen und Kuchen ergattert hatten, winkten fröhlich.
    Rasch blieben Hafen, Siedlung und Leute zurück. In knapp vierhundert Metern Höhe folgte das Luftschiff der Küstenlinie in Richtung Süden. Vom Meer her zogen schwarze Wolken heran.
    Länger als zwei Stunden dauerte es, bis sie endlich das gestrandete Schiff zwischen den riesigen Affenbrotbäumen – den Baobabs – etwa sechs Kilometer von der Küste entfernt liegen sahen. Der Orkan, der sich über dem Meer zusammenbraute, jagte längst seine ersten Ausläufer über die Insel, und die mächtigen Bäume unter dem Luftschiff schüttelten sich
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