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214 - Der Mann aus der Vergangenheit

214 - Der Mann aus der Vergangenheit

Titel: 214 - Der Mann aus der Vergangenheit
Autoren: Michael M. Thurner
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Weggehen. »Lasst Euch diese Chance nicht entgehen. Ihr würdet an einer der größten Taten teilhaben, die diese Welt jemals gesehen hat. Guten Tag.«
    ***
    Fliegen.
    Fliegen.
    Fliegen.
    Seine Gedanken drehten sich nur noch um dieses eine Thema. Die Arbeiten im Forschungsmuseum wurden zum lästigen Beiwerk. Er delegierte mehr und mehr seiner Aufgaben an Sekretäre und kleingeistige Kollegen, kaum mehr an Ausbau und Förderung seines Hauses denkend.
    Stattdessen schloss er sich Tag und Nacht in der Studierstube ein, raffte an Schriften zusammen, was ihm in die Hände fiel, vertiefte sich in die Materie.
    Der Äther war trotz vieler Bemühungen ein großes, unbekanntes, unbeackertes Land geblieben. Man wusste nicht viel über Sterne, Wolken, Regen, Donner und Blitz.
    Die Erkenntnisse der Astronomen sickerten nur ganz allmählich in das Bewusstsein der Menschen ein. Dem gemeinen Volk blieben viele Dinge nach wie vor unbekannt und unheimlich. Der Aberglaube blühte im Dunklen. Das Licht der Aufklärung hatte noch längst nicht den Verstand des einfachen Volkes erreicht. Der Äther war etwas Unerreichbares. Ein verkehrt treibender Ozean der Magie, scheinbar unerreichbar und unergründbar.
    Es klopfte.
    »Herein!«, rief Jean-François zerstreut.
    Ein Mann in Diener-Livree trat ein. Er verbeugte sich artig. Auf seiner Brust prangte das Zeichen der Bourbonen: das azurblaue Schild mit den drei goldenen Lilien. »Maître de Rozier«, sagte er und senkte sein Haupt ein weiteres Mal, »der König bittet Euch, am morgigen Tage nach der öffentlichen Audienz im Palast zu Versailles zu erscheinen, um seiner Majestät Eure Forschungspläne vorzutragen. Ihr werdet gebeten, die notwendigen Unterlagen für das Gespräch beizubringen. Dieser Siegelbrief hier wird den direkten Einlass in die königlichen Arbeitsräume beschleunigen.«
    Der Mann starrte ihn an. Sein Blick war kalt, abweisend und berechnend. Er war ein Hofschranze. Einer derjenigen, die mit Eifersüchteleien und Intrigentreiberei das Königshaus in Verruf brachten und bloß auf ihren eigenen Vorteil bedacht waren.
    Jean-François kümmerte es nicht. Heute nicht. Sein Herz tat einen Sprung. Der König fand seine unermüdlichen schriftlichen Einbringungen endlich einer Beachtung wert! Er hatte seine Privataudienz, er würde endlich dem Herrscher des Frankenreichs auf Augenhöhe gegenüber stehen!
    »Ich danke Euch, teurer Freund«, sagte er so ruhig wie möglich. »Versichert Eurem Herrn, dass ich pünktlich zur angegebenen Stunde in Versailles erscheinen werde. Doch sagt mir, bitteschön, im Vertrauen: Wird die Königin ebenfalls anwesend sein?«
    »Die Königin selbst war es wohl, die die Dinge in die Wege leitete. Ihr bekommt sicherlich Gelegenheit, der autrichienne für ihr Entgegenkommen zu danken.« Er legte die Papiere auf einen Beistelltisch neben der Türe, drehte sich nach einem kurzen Nicken um und marschierte hinaus.
    Jean-François verstand. Marie-Antoinette hatte ihn, aus welchen Gründen auch immer, protegiert. Und damit wurde er selbst zur persona non grata für einen Gutteil der Hofschranzen.
    Was kümmerte es ihn?
    Er lächelte, und er freute sich.
    Auf die Königin.
    ***
    Sie empfing ihn in der Orangerie. Im Hintergrund zogen Schwäne grazil über das ruhige Wasser des Teichs. Eine Fontäne brachte den Hauch von Feuchtigkeit mit sich, die Sonne schien auf die Beschaulichkeit des Prachtgartens herab.
    Marie-Antoinette wurde von einem kichernden Schwarm junger Hofdamen begleitet. Ihre vier Kinder blieben im Hintergrund. Sie trieben ihre Reifen mit Stöckchen über den kiesbedeckten Wegen vergnügt vor sich her.
    Die Königin verbarg den Großteil ihres Gesichts hinter einem fein gearbeiteten Fächer. Graugrüne Augen blickten ihn interessiert an.
    Jean-François machte seinen Bückling, so tief er nur konnte. Er wollte die Worte sagen, die ihm ein Diener eingeprägt hatte, wollte die Königin preisen – doch ein Kloß steckte in seiner Kehle. Er brachte keinen Ton hervor.
    »Er ist sprachlos?«, sagte Marie-Antoinette mit überraschend tiefer Stimme. Ihr schwerer Akzent war unüberhörbar. »Ich wollte, dass das öfters am Hof geschähe. Richte Er sich bitte auf.«
    Jean-François gehorchte und trat einige Schritte näher.
    Er sah Ansätze von Falten und Runzeln, er sah die Speckpölsterchen, die auch das enge Korsett nicht verbergen konnten. Doch das machte die Frau, die Königin, nicht minder interessant.
    »Ihr müsst verzeihen, Majestät«, krächzte
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