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214 - Der Mann aus der Vergangenheit

214 - Der Mann aus der Vergangenheit

Titel: 214 - Der Mann aus der Vergangenheit
Autoren: Michael M. Thurner
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da noch andere Frauen im Spiel waren. Und schlussendlich die Erkenntnis, dass sie niemals das Glück zu fassen bekommen würde, von dem sie ihr Leben lang geträumt hatte.«
    »Es tut mir Leid, Monsieur.« Jean-François blickte betroffen zu Boden. »Ich war noch nicht reif für diese Art von Beziehung. Ich überschätzte meine eigene Fähigkeit, ernsthaft zu lieben.«
    »Eure Lügen sind mit den Jahren nicht besser geworden.« Justin de Balzac atmete tief durch. »Ihr habt meine einzige Tochter ausgenützt, und Ihr habt mich ausgenützt. Ihr habt ihr Herz gestohlen, und ihr habt mein Geld gestohlen. Zu einem gewissen Maß verdankt Ihr es mir und meinem Einfluss, dass Ihr heute hier stehen dürft und die Sonne der Wissenschaft auf Euch herab scheint.«
    »So dürft Ihr das nicht sehen…«
    »Unterbrecht mich nicht, junger Mann!« De Balzac hustete angestrengt. »Magdeleine wird darüber hinwegkommen. Ein pausbäckiger, wetterfester Landadliger wird ihr irgendwann Trost spenden und ihr die Ehe anbieten, wenn ich eine erhöhte Mitgift auf den Tisch lege, damit er über ihren… entehrten Zustand hinweg sieht. – Was soll’s? Geld ist nicht alles.«
    »Ich wollte, ich könnte es ungeschehen machen, Monsieur.«
    »Ich gebe Euch gar nicht so sehr die Schuld, Maître de Rozier. Ich suche sie vielmehr bei mir. Wie konnte ich bloß auf einen Scharlatan wie Euch hereinfallen? – Nun, es steht mir nicht an, Euch diesen Ehrentag allzu sehr zu trüben. Ich wünsche Euch einen schönen Tag.«
    Justin de Balzac drehte sich um, schwer auf seinen Gehstock gestützt, und humpelte davon. Klack. Klack.
    Klack.
    Die Vorhaltungen des Alten blieben zurück wie ein Gespinst, und sie sickerten ein in jenen Teil seines Denkens, von dem Jean-François nicht einmal geahnt hatte, dass er ihn besaß: in sein Gewissen.
    ***
    Ein Geistesblitz. Eine erste wirklich, wirklich, wirklich gute Idee.
    Er trat an die Senatsvorsitzenden der Akademie heran, er schrieb einen untertänigsten Brief an Voltaire mit der Bitte um Unterstützung, er suchte sogar in einer Audienz am Hof in Versailles beim König um die Gewährung seiner Bitte an.
    Und er erhielt jene Unterstützung, derer er so dringend bedurfte:
    »Dero Majestät König Louis XVI. erkläret hiermit im unumschränkten Vertrauen in die wissenschaftlichen Kapazitäten und Begabungen des Maître Jean-François Pilâtre de Rozier, dass dieser in der Stadt Paris die Möglichkeit erhalte, die Leistungen des fränkischen Volkes im Rahmen einer dauerhaft eingerichteten Forschungsstätte zur naturwissenschaftlichen Ordnung des Weltenkreises zur Schau zu stellen. Die hinzu benötigten Mittel werden auf Ordre des Königs mithin vom Generalkontrolleur der Finanzen, Jacques Necker, zur Verfügung gestellt. Der Schutz des Hauses obliege meiner geliebten Frau, Marie-Antoinette von Frankreich. Gezeichnet in Versailles, im Vertrauen und im Angesicht Gottes…«.
    Jean-François’ Herz tat einen Sprung. Er erschuf etwas, das es niemals vorher, nirgendwo, in keiner Epoche der Zeitgeschichte, jemals gegeben hatte.
    Er. Baute. Ein. Museum.
    5. 1782 -1783: Der Traum
    »Darf ich Ihnen Monsieur Joseph-Michel Montgolfier vorstellen?«, sagte der Sekretär. »Seine Familie betreibt eine Papiermühle…«
    »… in Vidalon-lès-Annonay, südlich von Lyon gelegen«, führte Jean-François die Worte des kleinen Schleimers fort. »Das Papier der Montgolfiers genießt einen weit über die Landesgrenzen hinaus reichenden Ruf. Man sagt, dass die Tradition der Familie in der Papeterie-Erzeugung bis ins vierzehnte Jahrhundert zurückreicht?«
    »So ist es, so ist es.« Montgolfier reichte ihm die Hand, zog sie nach einer kurzen Berührung gleich wieder zurück. Seine Augen huschten hin und her, ungeduldig, als wollte er binnen weniger Sekunden die ausgestellten Gegenstände im Museum erfassen und einordnen.
    Ein Getriebener!, dachte Jean-François überrascht. So wie ich. Vierzig Jahre alt. Auf der Flucht vor dem Tod. So wie ich. Auf der Suche nach der Unsterblichkeit. So wie ich.
    »Man hört viel von Euch, Maître de Rozier«, sagte Montgolfier.
    »Hoffentlich nur Angenehmes?«
    Der Fabrikant lachte auf, kurz und nervös.
    »Keinesfalls! Ihr seid aufbrausend, ungeduldig, ein Mann der Frauen, ein Despot. Aber mit einem so scharfen Verstand gesegnet, dass Ihr nahezu unangreifbar zu sein scheint auf den Schlachtfeldern der Pariser Intrigen. In den Häusern des Adels und des gehobenen Bürgertums. Und sogar in den Palästen des
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