Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

2132 - Der Saltansprecher

Titel: 2132 - Der Saltansprecher
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
verstehen."
    Seine Stimme war lauter geworden, als er beabsichtigt hatte. Rufas ließ Ters' Arm los und ging ohne ein weiteres Wort die Stufen hinab. Es fiel meka, der aber schon bald in slik umschlagen würde. Er war froh darüber, denn die Tropfen, die langsam und schwer über sein Gesicht liefen, vermischten sich mit den Tränen und machten sie unsichtbar. Tränen der Schande, dachte Rufas, nicht der Trauer. Sie überkamen ihn jedes Mal, wenn er die Eltern mit seinen sorgsam auswendig gelernten Worten davon überzeugen wollte, dass ihr Mikhate-Kind das Leben verdient hatte - und das war häufiger, als die meisten Pfauchonen ahnten. Auf Loan war die Bevölkerungszahl so niedrig, dass bereits ein Mikhate-Fall eine Sensation darstellte, aber in den großen Städten auf anderen Planeten war die Krankheit längst nicht mehr ungewöhnlich. Nur bemerkte das außer den Ärzten kaum jemand, denn die Eltern verheimlichten diese große Schande, so gut es ging, und nahmen sogar den Tod ihres Kindes in Kauf, um ihre Ehre zu behalten.
    Rufas konnte ihnen keinen Vorwurf machen. Schließlich hatte er ebenso gehandelt. Seine Ehre war danach jedoch nicht zurückgekehrt, war im Gegenteil durch den Selbstmord seiner Frau so stark besudelt worden, dass die Nachbarn die Straßenseite gewechselt hatten, wenn sie ihn bemerkten.
    Nur zwei Alternativen hatte er damals gesehen: den Tod oder die Flucht. So war er schließlich in der Speiche Maér gelandet, auf einem abgelegenen kleinen Planeten, dessen einziger Beitrag zur galaktischen Zivilisation aus dem Export geringer Mengen Dufthölzer bestand. Doch Mikhate hatte ihn in Form des kleinen Tieger auch hier eingeholt. Vielleicht, so glaubte Rufas in diesem Moment, war es der Versuch des Schicksals, ihm eine zweite Chance zu geben.
    Zehn Jahre später ...
    Tieger besaß viele Freunde. Sie hießen Mege, Vap, Tami, Fogas, Dajo und. Zek. Er war froh, dass es nicht mehr waren, denn so konnte er sie gerade noch an den sechs Fingern seiner Hand abzählen. Seine Mutter hatte ihm zwar erklärt, dass es gut sei, viele Freunde zu besitzen, aber sicher hatte sie damit nicht gemeint, er solle sich unzählige Freunde anschaffen. Und alles, was über die Finger einer Hand hinausging, war für Tieger unzählbar.
    Er schüttelte sich das Wasser aus den kurzen blonden Haaren und betrachtete seine rechte Hand, die Zahlenhand, wie er sie nannte. Jedem Finger hatte er eine Zahl zugeordnet, von eins bis sechs - wobei Tieger die Sechs meistens ignorierte, weil er wusste, dass sie Unglück brachte. Seine linke Hand war die Tu-Hand, mit der er Dinge erledigte, wenn die rechte mit Zählen beschäftigt war.
    Mege hatte behauptet, er könne auch mit der linken Hand zählen, aber nach langem Nachdenken hatte Tieger entschieden, das für Blödsinn zu halten.
    Und so war die Idee, mit links zu zählen, in seine geistige Schublade verbannt worden, dorthin, wo an die Ideen lagen, die er nicht verstand oder für falsch hielt. Seine Mutter hatte ihm die Schublade vor langer Zeit gezeigt. Anfangs war es Tieger schwer gefallen, sie zu benutzen, doch mittlerweile öffnete und schloss er sie mit Leichtigkeit. Nur nachts, wenn er allein in seinem Zimmer lag, gab er der Versuchung nach. Dann nahm er die Ideen aus der Schublade, rang mit ihnen und ließ seinen Geist gegen sie anrennen, bis der Schlaf ihn irgendwann einholte. Tieger wusste nicht, wie viele Ideen in der Schublade lagen, aber es waren sicherlich mehr als sechs.
    Er atmete tief durch und lachte, als ge seinen Rachen kitzelte. Seit drei Tagen regnete es ununterbrochen, aber das hatte Tieger und seine Freunde nicht davon abgehalten, die Sümpfe weiter zu erkunden. Die grüne Wand, in die sie eingetaucht waren, lockte mit Abenteuern und Gefahren. „Wir müssen gut aufpassen", hatte Mege gesagt. „Dann sehen wir vielleicht einen Gagawuz." Ein Gagawuz, so hatte Tieger wenig später von ihr erfahren, war ein überaus scheues Tier, das sich als Ast tarnte und seine wahre Gestalt erst offenbarte, wenn man es lange genug anstarrte. Dann konnte es sogar Wünsche erfüllen.
    Was soll ich mir wünschen?, dachte Tieger, während er sich bemühte, den Gagawuz in der einsetzenden Dämmerung nicht aus den Augen zu verlieren. Vielleicht ein Geschenk für seine Freunde, die ihm den Gagawuz gezeigt hatten und ihn sogar mit dem Tier allein ließen, da es sich nur einem Unbekannten offenbarte. Oder etwas für ihn selbst ... ein Geschenk, das ihn normal machte...
    Wenn er zumindest
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher