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209 - Die fliegende Stadt

209 - Die fliegende Stadt

Titel: 209 - Die fliegende Stadt
Autoren: Susan Schwartz und Jana Paradigi
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die Knie und küsste ihre Stiefel. »Ihr habt Recht, viel gepriesene Herrin, die Ihr wie eine Sonne mein unwürdiges Dasein erhellt…«
    »Hör auf zu winseln!« Mit einem Tritt gegen die Brust warf Crella ihn zu Boden und stieg über ihn hinweg. Sie strich sich über das eng geschnürte Korsett und stellte sich in die Öffnung des aus Gräten geformten Reifrocks. »Hol mir lieber mein Überkleid, damit ich mich für die Ratssitzung fertig machen kann.«
    Hau Mikh zwang sich, trotz Atemnot und Brustschmerzen zu lächeln, rappelte sich auf und beeilte sich, dem Wunsch der Mistress nachzukommen. Allein das Privileg, an ihrer Seite sein zu dürfen, zählte. Irgendwann – wenn die Prophezeiungen der Voodoo-Hexe sich als Betrug herausgestellt hätten – würde sie ihre überzogenen Pläne aufgeben und einsehen, dass ihr Leibsklave ein besserer Partner war als ein allmächtiger, aber anonymer Kaiser, der bereits von hundert oder mehr Frauen umgeben war. Bis dahin brauchte Hau Mikh nur am Leben zu bleiben.
    ***
    »Sag’s mir noch mal: Warum spielen wir die Klettermaxe?«, keuchte Rulfan hinter Matthew Drax, während er sich an einem der Moringaäste die Böschung hoch quälte. (Moringa = kleine Sträucher oder Bäume, deren Saft nach Meerrettich riecht) Matt blieb stehen und wandte sich ihm zu. Dem Albino stand der Schweiß auf der Stirn, die langen weißen Haare hingen in nassen Strähnen herab, rote Flecke zierten sein ungesund blasses Gesicht. Er hatte seine Erkrankung bei den Enkaari noch immer nicht völlständig auskuriert, aber ihnen beiden war die Wartezeit zu lang geworden.
    Wenn sie Aruula jemals wieder finden wollten, mussten sie auf schnellstem Wege zu Kaiser de Roziers Wolkenstadt gelangen. Dorthin, so vermutete Matt, hatte ihr gemeinsamer Sohn Daa’tan sie zusammen mit einem Daa’muren und dem schwarzen Prinzen Victorius – de Roziers Sohn – gebracht.
    »Weil wir in diesem verdammten Dschungel nur noch im Schneckentempo vorwärts gekommen sind«, beantwortete er Rulfans Frage. »Oder hättest du gerne noch ein bisschen länger eine Schneise für den Dampfrouler geschlagen? Außerdem ist das hier eine Abkürzung, wenn die Karte nicht irrt.«
    Rulfan nickte, sichtlich außer Atem, und winkte ab. »Hast ja Recht. Ich weiß auch nicht, warum mich dieser Aufstieg so fertig macht.« Er schnaufte und rieb sich die Knie. »Mit jedem Schritt, den ich mache, scheine ich zu altern und gebrechlicher zu werden.«
    »Oben legen wir eine längere Pause ein«, versprach Matt.
    Rulfan schien gar nicht hinzuhören. Mit geschlossenen Augen, eine Hand ins Kreuz gestützt, lehnte er sich zurück und stöhnte.
    Das ist mehr als simple Erschöpfung, dachte Matt besorgt.
    Vielleicht sind wir doch zu früh aufgebrochen. Im Rouler war es ja okay, aber zu Fuß zehren die Strapazen ganz schön an seinen Kräften.
    Chira, Rulfans vierbeinige Begleiterin, sah das offenbar ähnlich. Wie ein Muttertier bei seinem Jungen blieb sie beharrlich an Rulfans Seite, stupste ihn mit ihrer Wolfsschnauze an oder umkreiste ihn wachsam.
    »Wir haben es bald geschafft«, munterte Matt ihn auf.
    »Dann wird erst mal ausgiebig gegessen. Mein Magen knurrt und meine Füße schreien nach Frischluft.« Sein Blutsbruder nickte mit einem Lächeln, das stumme Dankbarkeit signalisierte.
    Rulfan aus Britana, vor mir musst du doch nicht den Helden spielen. Ich weiß nur zu gut, was es heißt, wenn sich der Feind von innen heraus anschleicht.
    Was sich der Albino bei dem Angriff einer schwarzen Wilden eingefangen hatte, konnte Matt nur mutmaßen. [1]
    Und »Wilde« meinte er nicht einmal abwertend: Die Frau war mit Berggorillas unterwegs gewesen und hatte sich so verhalten wie sie. Vielleicht war sie von ihnen aufgezogen worden?
    Matt fielen auf Anhieb zwei scheußliche Krankheiten ein, die früher in Afrika gewütet hatten und mit denen sich Rulfan infiziert haben könnte: Milzbrand und Hepatitis. Wenn dem so war, sah die Prognose sehr düster aus. Hier draußen gab es keine echte medizinische Hilfe, und de Roziers Wolkenstadt war noch weit entfernt. Und selbst wenn er Rulfan bis dorthin bringen konnte, war es immer noch nicht gesagt, dass er Heilung fand.
    Zwar hatte Victorius ihnen in den höchsten Tönen von seiner Heimat vorgeschwärmt, dass aber die Medizin das Niveau des einundzwanzigsten Jahrhunderts gehalten haben sollte, erschien zweifelhaft. Ein Techno-Bunker wäre Matt lieber gewesen. Andererseits hatte er schon einiges an Wundern erlebt.
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