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2082 - Ein ganz normaler Held

Titel: 2082 - Ein ganz normaler Held
Autoren: Unbekannt
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ihrem Stock war zu einem Ritual geworden, einem Selbstzweck. Tia tat es mittlerweile ganz automatisch und desillusioniert. Doch dann machte sie plötzlich große Augen. Als sie die 43. Biene an diesem Abend untersuchte, sah sie, dass diese mit einer Spionsonde zurückgekehrt war, prall gefüllt mit Daten und Fotos aus Para-City!
    Die Fotos waren natürlich zweidimensional. Mikrosonden dieser Verkleinerung konnten keine Holographien anfertigen. Tia de Mym checkte mit Hilfe ihrer miniaturisierten Geräte oberflächlich die Aufzeichnungen - und einige der Fotos brachten im wahrsten Sinn des Wortes ihren Atem zum Stocken. Tia de Mym legte die Sonde, die sie vorher von der Biene entfernt hatte, in einen winzigen Behälter und verstaute diesen in ihrem Beutel. Anschließend betrat sie die Hütte und versteckte den Beutel unter ihren Sachen, die sie rasch zusammenpackte.
    Sie wusste nur eines: Sie musste noch an diesem Abend, in dieser Nacht, zurück zu dem Gleiter, der in zwanzig Kilometern Entfernung auf sie wartete, seit über zwei Monaten. War er noch da, oder hatten die Arkoniden ihn schon entdeckt? Ihre drei Schiffe hingen selbst jetzt immer noch über dem Gelände im Osten, über Para-City! „Du verlässt mich also", hörte sie Platos Stimme vom Tisch, wo er bei einem Glas dunklem Wein saß und sie beobachtete. „Habe ich recht?"
    Sie fuhr zu ihm herum, noch halb gebückt, und sah ihm in die Augen. „Ich muss es, guter Plato", sagte sie. „Ich tue es ungern, das musst du wissen."
    Aber er musste noch mehr wissen, das wurde ihr klar, als sie den noch halb gedeckten Tisch sah und seine Augen, aus denen so viel Weisheit sprach. Doch was war alle seine Weisheit gegen... „Ich kann dir nur eines sagen, Plato", raffte Tia sich auf. So einfach konnte sie sich nicht aus dem Staub machen. Der alte Einsiedler hatte ihr über so viele Tage Unterschlupf gewährt, hatte sie mehr oder weniger durchgefüttert – er hatte einen solchen Abgang nicht verdient. „Du musst spätestens morgen früh unauffällig deine Sachen zusammenpacken, deine Bienenstöcke in den altersschwachen Gleiter verladen und zusehen, dass du ihn noch einmal in die Höhe bekommst.
    Du musst diese Hütte, dein Heim, verlassen, Plato. Ich kann dir nicht sagen, warum, aber du musst es tun! Bitte, glaub mir!"
    „Warum, Tia?" fragte der Alte. Sie rang mit sich. Sie konnte, sie durfte ihm nicht sagen, was sie gesehen hatte. „Weil es so ist, Plato. Es kann sein, dass in wenigen Tagen dieser Teil des Altiplano nicht mehr existiert!" Das war auch schon das Äußerste, was sie sagen durfte. Tia zitterte innerlich, vor Sorge um den alten Mann und aus Entsetzen vor dem, was sie in Para-City gesehen hatte. Plato schien in sich zusammenzusinken. Tia stand auf und schulterte ihr Gepäck.
    Sie zögerte, dann ging sie um den Tisch herum und strich Plato zärtlich über die Schultern, beugte sich hinab und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Es ist stockfinstere Nacht", sagte der alte Mann. „Sieh zu, dass du meinen Gleiter ans Laufen bekommt, und dann flieg mit ihm. Ich werde das Altiplano nicht mehr verlassen. Ich werde eher sterben, auf welche Weise auch immer, als hier noch einmal fortzugehen." Tia erkannte, dass es sein Ernst war, aber sie wollte es noch nicht wahrhaben. Erst als sie noch einmal versucht hatte, ihn umzustimmen, gab sie es auf und küsste ihn zum letzten Mal.
    Plato begleitete sie nicht aus der Hütte hinaus. Tia ging allein, die Infrarotbrille über der Nase. Das kleine Anwesen des alten Imkers blieb in der Dunkelheit der Anden hinter ihr zurück. Sie kroch, kletterte und schlich über die steinigen Wege, die ganze Nacht durch, und immer wieder sah sie die Schreckensbilder aus Para-City vor ihrem geistigen Auge. Im Morgengrauen endlich erreichte sie den Gleiter, den sie hier zurückgelassen hatte. Sie bestieg ihn und flog 150 Kilometer nach Nordosten, zur Stadt La Paz.
    Und von dort aus ging es per Transmitter weiter. Tia de Mym hoffte, binnen vier Stunden mit ihrem hochbrisanten Material Alpha Karthago erreicht zu haben. Die TLD-Agentin dachte an Plato und was, aus ihm - und dem Altiplano - werden würde, wenn...
     
    ENDE
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