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207 - Weg eines Gottes

207 - Weg eines Gottes

Titel: 207 - Weg eines Gottes
Autoren: Christian Schwarz
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hätten, lehnte ab. Yao bemerkte, wie der Wawaa-Schamane angewidert das Gesicht verzog und dem grünen Kristall hasserfüllte Blicke zuwarf.
    Gleich am nächsten Morgen wurde Papa Lava eine Braut zugeführt. Koroh oblag es, die geeignete zu finden. Er suchte sie sich praktischerweise unter den Sklavinnen, die eng an die Wawaas gedrückt lagen und schliefen. Es erwischte Josaa, eine sechzehnjährige Schönheit, die noch immer Mombassas prachtvolle Männlichkeit in der Hand hielt.
    Herbeigerufene Soldaten führten die wie irr schreiende, beißende und um sich tretende Josaa hinunter in das Fetischhaus. Einen Beruhigungstrank bekam sie nicht. Denn Papa Lavas Bräute sollten sich in vollem Bewusstsein mit ihm vereinigen.
    Yao half dem Schamanen, die Braut mit dem Hochzeitskleid zu schmücken. Das hieß, dass sie ihr mit Henna-Farbe die heiligen Flammen, ausgehend von ihrer Scham, auf den nackten Körper malten. Koroh trug nun auch die dritte Singende Scheibe, Heiligschein genannt, die er nur zu Brautzeremonien anlegen durfte. Sie war an drei unterarmlangen Stäben befestigt und wurde so auf den Kopf gesetzt, dass sie flach über dem Hinterhaupt schwebte. Von Gott Papalegba wusste Koroh nun, dass diese Scheibe der Schamanengemeinschaft Dee’hööhner Viiva’kolooniah geweiht war. Das überraschte ihn nicht wirklich. Zumindest den zweiten Teil des Namens kannte er seit vielen Jahren. Seit sein Vater ihm die Worte, die nur unverständlich rezitiert werden durften, da sie Menschen sonst töten konnten, von Schamanenmund zu Schamanenohr überliefert hatte.
    In der Zwischenzeit versammelten sich Hunderte von Huutsi um das Fetischhaus. Sie wollten sich die Hochzeit nicht entgehen lassen.
    Die Hochzeitsgesellschaft setzte sich in Bewegung. Mit weit aufgerissenen Augen starrte das Mädchen zum Gipfel des Vulkans empor. Er rauchte stärker als gestern, die Lava lief ununterbrochen aus dem Kleinen Schlund. »Nein, bitte nicht«, flüsterte sie, als zwei Soldaten sie an den Armen mit sich zogen. Sie zitterte plötzlich so stark, dass sie zusammenbrach und auf dem Boden liegen blieb. Wie ein Baby im Mutterleib krümmte sie sich zusammen und wimmerte. Mombassa drängte sich durch die Huutsi. Als er vor ihr stand, umklammerte sie verzweifelt seine Beine. »Bitte… bitte hilf mir.«
    Mombassa nahm sie sacht auf den Arm. »Ich helf dir. Du hast mich heute Nacht glücklich gemacht, deswegen musst du nicht zu deiner Hochzeit gehen«, sagte er leise und ungewohnt zärtlich. »Diesen letzten Dienst kann ich dir erwiesen.«
    Josaa barg ihr Gesicht an seiner mächtigen Brust. Er bettete sie so in seine Arme, dass sie bequem lag. Mombassa ging los. Die Huutsi wussten nicht, was sie davon halten sollten. Aber da Koroh ihn gewähren ließ, taten sie ebenfalls nichts. Schweigend machten sie Platz. Dann folgten sie ihm den Hang hinauf. Die ganze Zeit redete der Wawaa beruhigend auf Josaa ein. Es wirkte. Ihr Zittern ließ ein wenig nach. Auch das leise Schluchzen ebbte ab.
    Am Kleinen Schlund murmelte Koroh für die Allgemeinheit unverständlich mit heiligem Ernst die von seinem Vater erfahrenen Vermählungsworte: »Dasimmer dabei. Datis prihma. Viiva Kolooniah.«
    Noch einmal wollte sich die verzweifelte Josaa aufbäumen. Mombassa ließ es nicht zu. Er drückte sie an sich. Dabei brach er ihr mit einem geschickten Griff, unbemerkt von den Zuschauern, das Genick. So ersparte er ihr den grausamen Tod in der Lava. Als Josaas Körper eintauchte und in einer Rauchwolke verpuffte, war längst kein Leben mehr in ihm.
    Viele Stunden später, als die Sonne längst gesunken war, brachen die Wawaas heimlich auf. Ein Huutsi, ebenfalls schwer bewaffnet, lotste sie über geheime Pfade an den Wächtern vorbei und begleitete sie in die gefährlichen Wälder.
     
    Mul’hal’waak analysierte zusammen mit dem Namenlosen den Primärrassenvertreter Yao. Er war es wert, unterstützt zu werden. Der Huutsi glich in vielem dem willensstarken und kompromisslosen Tuareg Tagel’muust.
    ***
    Mali, April 2014
    Tagelmust legte den letzten Stein auf das Grab seines Sohnes. Warum hatte er gerade an einen kleinen Jungen gedacht, der Habib hieß? Hatte ihm das Schicksal deswegen seinen Sohn genommen? Weil er Habib erschossen hatte? Ach, zum Teufel. Er wusste nicht, wer dieser Habib war. Und er hatte ihn auch nie erschossen. Warum sah er dann aber dieses angsterfüllte kleine Gesicht vor sich?
    Der Tuareg schüttelte böse den Kopf, weil er die Situation nicht auflösen konnte.
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