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204 - An Afras Ufern

204 - An Afras Ufern

Titel: 204 - An Afras Ufern
Autoren: Mia Zorn
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Eine Frauengestalt glitt in das Licht der Scheinwerfer.
    Aibas sprang auf. »Phillis!«
    »Setz dich sofort wieder hin!«, schrie Badaar, und an die Frau gewandt: »Und du, verschwinde!«
    Aibas gehorchte. Nur Phillis bewegte sich nicht von der Stelle. Ihre schilfgrünen Augen hefteten sich auf Badaar. Sie lächelte kalt.
    »Mach, dass du wegkommst, oder er ist tot!« Der narbengesichtige Mann verlieh seinen Worten Nachdruck, indem er mit seinem Messer die Haut an Rulfans Hals ritzte. Er hörte jedoch sofort auf, als er eine Klinge in seinem Rücken spürte.
    Das Gesicht Tashoos erschien hinter Badaars Schulter.
    »Guter Säbel!«, bemerkte er mit einem strahlenden Lächeln.
    Badaar begann zu schwitzen. »Egal«, knurrte er. »Wenn ich sterbe, stirbt er mit mir!«
    Phillis lachte. »Du Narr! Du bist hier nicht bei deinesgleichen. Die Dankar töten so schnell, wie der Wind der Weißen Wüste sich dreht. Wähle, wie du sterben willst: durch die Klinge des Kriegers hinter dir, durch die Wüste oder durch die Hyeena bei deinen Freunden!«
    Badaar richtete sich langsam auf. Seine Blicke durchforsteten die Umgebung. Waren da noch andere Dankars im Sand verborgen? Plötzlich glaubte er blitzende Waffen und schemenhafte Gestalten zu sehen. Das Messer in seiner zitternden Hand löste sich von Rulfans Hals. »Ich wähle die Wüste!«, keuchte er. Er taumelte zur Seite und rannte los. Weg von dem Säbel, weg von der Frau mit den schilfgrünen Augen, weg von den Männern, die er Wanja abgekauft hatte.
    ***
    Es war in der Nacht vor meiner ersten Wache, als ich auf den Efrantenfriedhof stieß. Die Nacht vor meiner Einweihung. Die Nacht, die mein Leben für immer verändern sollte. Noch vor Sonnenaufgang war ich aufgebrochen, um das Reinigungsritual zu vollziehen. An der Wasserstelle neben unserem Lager hatten sich die anderen Jungen versammelt, die wie ich in den Kreis der Männer aufgenommen werden sollten.
    Jeder sprach von der Waffe, die er sich zu seiner ersten Wache mitbringen würde. Von Pfeil und Bogen, geschnitzten Dolchen und Steinmessern war da die Rede.
    Und plötzlich war mir der Dolch, den ich mir geschnitzt hatte, nicht mehr gut genug. Ich wollte eine außergewöhnliche Waffe haben. Eine, wie kein anderer sie hatte. Eine, die dem zukünftigen Stammesführer gerecht wurde. So kam ich auf die Idee, mir einen Kristallzapfen aus den Spalten der Windfelsen zu schlagen. Ich rechnete mir aus, dass ich bis zum Beginn der Zeremonie wieder zurück sein könnte. Ich verriet niemandem meinen Plan. In meiner jugendlichen Einfalt machte ich mich einfach auf den Weg. Oh, ich Elender!
    Wie oft in den vergangenen Wintern habe ich meine Eitelkeit bereut!
    Die Sonne stand hoch im Süden, als ich die Windfelsen erreichte. Es war ein Leichtes, mit meinem jungen Körper in die Spalten zu kriechen. Ich fand auch die Kristalle, die wie schillernde Zapfen tief in den Felsfalten hingen. In meiner Gier übersah ich ein Sandbrett. Ich stürzte in die Tiefe. Mein Körper schlug auf harten Untergrund und ich verlor die Besinnung.
    Als ich wieder zu mir kam, warf der Vollmond sein Licht durch die Felsenspalten: Ich sah, dass ich in einer unterirdischen Höhle war, umgeben von Steinen und Sand. An ihrer Decke und am Boden wucherten unzählige der Kristalltropfen. Die Höhle war nicht größer als das Zelt meiner Familie, aber unendlich viel höher. Die Wände, die zu den Spalten nach oben führten, waren glatt und steil. So suchte ich nach einer anderen Möglichkeit, nach draußen zu kommen. Ich fand einen einzigen schmalen Schacht, der über herunter gebrochene Steinbrocken führte, und gelangte in ein Höhlengewölbe, das dreimal so groß war wie das Lager der Dankar. Es schien gefüllt mit hellen Sanddünen und liegt unter den höchsten Kuppeln der Windfelsen.
    Meine Augen brauchten lange, bis sie im spärlichen Licht erkannten, was diese Dünen wirklich waren: Berge von Efrantengebeinen! Ich hatte den sagenhaften Friedhof der Efranten gefunden, wegen dem die Fremden immer wieder die Ruhe der heiligen Stätte störten. Ich, Heynum, Sohn des Stammesführers der Dankar, hatte ihn gefunden! Und während ich mein Hemd auszog und einige Stücke des weißen Gebeins darin sammelte, sah ich das Gesicht meines Vaters vor mir: Wie stolz würde er auf mich sein!
    Und dann hörte ich ferne Stimmen! Sie haben mich gefunden, dachte ich. Mein Vater hat nach mir suchen lassen.
    »Hier bin ich!«, rief ich laut und stolperte aus dem Efrantengewölbe zurück in
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