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2033 - Tod im Türkisozean

Titel: 2033 - Tod im Türkisozean
Autoren: Unbekannt
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führte so immer nur in eine Richtung: zurück in sich selbst.
    Jamaske blieb stehen, und auch Latruiz, der sich inzwischen gefangen hatte, hielt an und horchte. Und schnupperte. Und versuchte wie Jamaske, dem Murmeln und Raunen in Paumyrs feucht schimmerndem Höhlenlabyrinth einen Hinweis auf die Richtung zu entnehmen, die sie einschlagen sollten. Aber obwohl seine weinerliche Verzagtheit inzwischen einer grimmigen Gelassenheit gewichen war, hatte er doch nicht Jamaskes Entschlossenheit. Und er verfügte nicht über den inneren Flimmerkompaß, der Jamaske schon durch das Gewirr der Lagunen von Irb Sanclis geholfen hatte. „In diesem Zeichen wirst du mich finden!" Tanzende Eier am Silberschirm. Hüpfende Felsen.
    Auf- und abtauchende Korallenriffe. Brennende Pflanzenstrünke. Und das Muster. Das Muster ... „Hier entlang!" sagte Jamaske und lehnte sich mit dem Gewicht ihres ganzes Körpers gegen eine Stelle der glitschigen Tunnelwandung, die sich in nichts vom Rest der verbotenen Stollen unterschied. Das Pflanzengewebe gab nach, und Jamaske und Latruiz glitten durch die entstandene Öffnung, die sich mit einem leisen Schmatzen hinter ihnen schloß. „Nicht stehenbleiben!" rief Jamaske und rannte los.
    Hier gab es kaum noch Lieht. Hier waren die Höhlen nur düstere Schlünde in düsteren Schlünden. Ein fauliger Atem durchwehte die lebenden Grotten. Der Boden, die Decke, die Wände kamen auf die beiden Rautak zu und drohten sie zu zerquetschen. „Nach unten!" rief Jamaske und rammte ihr Bündel Fackelwurzeln in das dampfende, zischende Pflanzenfleisch zu ihren Füßen. Sie rutschten eher, als daß sie fielen, und schlitterten endlos lange durch die malmenden Mägen und peristaltisch pumpenden Gedärme eines Wolkenwals von der anderen, der schwarzen Seite des Silberschirms. Sie durchtauchten die Innereien der Finsternis, und als sie von ihr ausgespuckt wurden, traf sie das Licht wie ein Keulenschlag.
    Jamaske wußte, wo sie sich befanden. Sie waren in der Kathedrale der Träume, einem riesigen Gewölbe von überirdischer Schönheit. Aber Jamaske wußte auch, daß sie nicht stehenbleiben durften.
    Weiter! Weiter!
    Sie hatten keine Zeit, auf die Tausende, die Millionen rubinrot funkelnder Traumperlen zu achten, die ringsherum in eine unendliche Weite und Höhe und Tiefe reichten. Sie achteten nicht auf das komplexe und vielfach verwobene Blütenmosaik, das sie in den dahinterliegenden Katakomben empfing. Sie stolperten über die Perlen, sie trampelten über die Blüten und Knospen, sie sprangen mit dem Kopf voran gegen eine massive Pflanzenwand, in der sich ein fleischiges Maul auftat und sie scheinbar verschlang. Kaum auf die Beine gekommen, duckten sie sich unter dem Beschuß spitzer Pfeildornen, krochen durch einen engen, schlundartigen Kamin, setzten über tiefe Spalten, die sich vor ihnen auftaten, und zerrissen die klebrigen Netze der Spinnkrebse, die sie mit einem einlullenden Wispern und dem Geruch von süßem Garrenda in ihre Freßhöhlen zu locken versuchten.
    Weiter! Weiter! Nur diesen Stollen noch, dann haben wir das Herz erreicht!
    Aber der schräg nach unten geneigte Stollen, von dem Jamaske wußte, daß er nach nur wenigen Windungen direkt in Paumyrs Herz rührte, war nicht passierbar. Aus der Tiefe schob sich mit einem rhythmischen Scharren und Schleifen ein gewaltiges Etwas auf sie zu, das mit knochenharten Borsten über die Höhlenwandung kratzte und einen grauenerregenden, die Sinne lähmenden Gestank verbreitete.
    Es war der Al'diiz - der Wächter des Herzens, Paumyrs Wurm.
    Jamaske sah sich um und erkannte, daß sie in der Falle saßen. Der Korridor, den sie entlanggekommen waren, war von einem pflanzlichen Schließmuskel abgeriegelt worden - und dieser Schließmuskel kam näher! So wie der Al'diiz, dessen breites, mit stumpfen Kauknochen ausgestattetes Maul sich langsam zu öffnen begann, während die darüberliegenden Rezeptorbüschel wie langgliedrige, aschgraue Finger direkt auf Jamaske und Latruiz zeigten.
    Gab es wirklich kein Entkommen? War hier, so nahe an Paumyrs Herzen, alles vorbei? „Nein!" rief Jamaske laut - so laut, daß sogar der monströse Wurm für einen Moment innehielt, bevor er weiter auf die beiden Rautak zukroch. „Nein, Paumyr! Ich kenne dieses Spiel! Willst du uns wirklich töten? Ich glaube nicht! Kannst du uns wirklich töten? Ich glaube nicht! Wir leben nicht, Paumyr, und darum kannst du uns nicht töten. Wir sind deine Kinder. Vielleicht sind wir nur deine Träume.
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