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2033 - Tod im Türkisozean

Titel: 2033 - Tod im Türkisozean
Autoren: Unbekannt
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eine Traumperle aus der Schlafmuschel gelöst wurde. Eine Traumperle zu verlieren war immer wie ein kleiner Tod.
    Und diesmal wollte Jamaske diesen Tod nicht sterben.
    Als Klindo, der Muschelmeister, in die feuchten, von einem grünlichorganischen Licht und einem leisen Tropfen und Plätschern erfüllten Ruhekavernen kam, um Jamaskes Traumperle einzufordern, weigerte sich Jamaske. „Das ist meine Perle!" sagte Jamaske, die unter den rautakischen Fischern die wenig schmeichelhaften Beinamen „die Ruhelose" und „die Streitbare" trug. „Die Träume gehören mir allein!"
    „Das ist nicht wahr", erwiderte der Muschelmeister. „Diese Träume gehören Paumyr. Alles, was wir sind, gehört Paumyr. Willst du Paumyr verweigern, was ihr eigen ist?"
    „Wenn Paumyr meine Träume will, dann soll sie mich selbst darum bitten", gab Jamaske mit einem trotzigen Aufblitzen ihrer rauchblauen Augen zurück.
    Natürlich wußte sie, daß sich die Insel-Intelligenz den einfachen Rautak schon seit vielen Perioden nicht mehr mitgeteilt hatte - und der Muschelmeister wußte das auch. Lediglich die Paumyr-Sprecher aus dem Stand der Wissenden hatten regelmäßigen Kontakt zu Paumyr.
    Ansonsten sprach die Inzaila nicht direkt zu ihren Kindern, sondern strahlte nur eine mentale Präsenz aus.
    Eine Präsenz, die beständig durch die meterdicken, millionenfach verwobenen Pflanzenstränge der schwimmenden Insel pulsierte.
    Ein alles durchdringender geistiger Atem, der durch Paumyrs organische Höhlensysteme wehte, der aus ihren vielfach verästelten, biolumineszenten Lichtadern sickerte, der als dumpfes, kaum wahrnehmbares Pochen aus den verwucherten Korridoren und lebendigen Grotten im tief unter der Wasserlinie liegenden Inselherzen drang.
    Nein, Paumyr hatte schon lange nicht mehr zu den einfachen Rautak gesprochen, aber weshalb sollte sie auch?
    Sie war immer da. Sie umhüllte die Rautak mit ihrem kilometergroßen, unsterblichen Körper.
    Sie war ihre Göttin und ihr Lebensraum zugleich - das schwimmende Zentrum der Welt. „Achte auf deine Zunge, Jamaske!" sagte der Muschelmeister ungewöhnlich scharf. Er wollte an Jamaske vorbei zum Wasser hinabgehen, aus dem bereits die Schlafmuscheln emporgestiegen waren und langsam ans Ufer der unterirdischen Kanäle trieben. Ihre Schalen klappten wie gewaltige Mäuler auf - gewaltige Mäuler, in denen etwas Rundes und Glänzendes beharrlich blinkte.
    Jamaske kam dem Muschelmeister zuvor. Mit der traumwandlerischen Behendigkeit, die sie sich auf unzähligen Fangfahrten erworben hatte, sprang die athletische Fischerin vom federnden Boden ab, machte einen Rückwärtssalto und setzte breitbeinig knapp vor dem Wasser wieder auf. „Bleib von meiner Schlafmuschel weg!" zischte Jamaske.
    Ihr Hände waren zu Fäusten geballt. Ihre dunkelbraunen, seitlich zu spiraligen Knoten geflochtenen Haare knisterten leicht und wirkten im dämmrigen Licht der Ruhekavernen wie die Hörner eines Widderhais. „Niemand rührt meine Schlafmuschel an!"
     
    *
     
    Schlafmuscheln waren Riesenmuscheln von bis zu drei Metern Durchmesser und eineinhalb Metern Dicke. Auf ihren zweiklappigen Kalkschalen wuchsen ganze Gebirge unterschiedlichster Algen, Korallen und Seeanemonen, die jeder Muschel ihr ganz individuelles und farbenprächtiges Aussehen gaben.
    Die gepanzerten Weichtiere lebten in einer rätselhaften Symbiose mit den Rautak.
    In regelmäßigen Abständen - die auf geheimnisvolle Art mit den Schlafphasen der Rautak übereinstimmten - tauchten sie aus den Kanälen der Ruhekavernen auf und öffneten langsam ihre mächtigen Schalen. Innen pulsierten die sichelförmigen, von einer rötlichbraunen, ledrigen Haut überzogenen Körper der Muscheln selbst, die nur etwa die Hälfte ihres Gehäuses einnahmen.
    Und dieses Pulsieren strahlte eine eindeutige Botschaft aus: Komm näher! Leg dich zu mir!
    Gib mir deine Träume - und ich gebe dir Schlaf!
    Niemand konnte mehr sagen, wer der erste Rautak gewesen war, der es gewagt hatte, tatsächlich in die aufgeklappten Schalen einer Riesenmuschel zu steigen.
    Jedenfalls schliefen die Fischer von Paumyr schon lange nicht mehr in ihren näher an der Oberfläche der Inzaila gelegenen Wohnhöhlen. Der Schlaf in einer Riesenmuschel war um vieles angenehmer, war wie ein Wegdriften in ferne, in tiefere Welten, die von einem ewigen, beruhigenden Murmeln erfüllt waren, einer ungreifbaren, schwerelosen Gelassenheit ganz nah am Grund der Dinge.
    Wenn sich ein Rautak in die Muschelschale legte,
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