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2033 - Tod im Türkisozean

Titel: 2033 - Tod im Türkisozean
Autoren: Unbekannt
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paßte sich das Tier behutsam seinem Körper an. Die ledrige Haut wurde weich und nachgiebig, und das Muskelgeflecht der Muschel wurde von wellenförmigen Kontraktionen durchlaufen, die den ganzen Körper des Rautak massierten.
    So blieben die Rautak eine Weile liegen, in der Umarmung einer pulsierenden Riesenmuschel, und unterhielten sich über dem seichten, leise plätschernden Wasser, während das Leuchten in Paumyrs Lichtadern schwächer und schwächer wurde und der halb süßliche, halb modrige Duft der Schlafmuscheln die Grotten erfüllte.
    Und dann, eine nach der anderen, schlossen die Muscheln ihre Deckschale, versanken in den Wellen und schaukelten - jede einen schlafenden Rautak-Fischer im Bauch - sanft auf dem moosbewachsenen Boden der Ruhekavernen. Wie dunkle, verstreute Unterwasserfindlinge lagen sie da, und nur die gleichförmige Bewegung des rundumlaufenden Kiemenkranzes, der nicht nur die Muscheln, sondern auch die in ihrem Inneren schlafenden Rautak mit Sauerstoff versorgte, verriet, daß die metergroßen, zerklüfteten Gebilde am Grund der Grotten lebten.
    Die Riesenmuscheln schenkten den Rautak Schlaf. Und die Rautak schenkten den Muscheln ihre Träume.
    Zumindest war es das, was Blind, der Muschelmeister, behauptete. „Schlafmuscheln brauchen unsere Träume", sagte er. „Sie brauchen das, was die Wissenden das Traum-Tzan'dhu nennen. Aber unsere Träume stammen von Paumyr. Und daher gehören die Perlen, die uns die Schlafmuscheln zurückgeben, ebenfalls Paumyr. Es sind nicht unsere Perlen. Es sind Paumyrs Perlen. Eigentlich sind wir alle Paumyrs Perlen. Das solltest du wissen, Jamaske."
    Jamaske blieb trotzig. „Ich weiß, daß ich diese Perle erträumt habe", sagte sie mit einer heftigen Stimme, die selbst von den Pflanzenwänden der Ruhekaverne nur wenig gedämpft wurde. „Und ich gebe sie nicht her!"
    Sie trat noch näher an das Wasser heran und stellte sich kämpferisch vor ihre geöffnete Schlafmuschel, in deren Kopfende der Grund ihrer Auseinandersetzung mit dem Muschelmeister lag: Eine eiförmige, rubinrot glänzende Perle von gut dreißig Zentimetern Länge und zwanzig Zentimetern Dicke.
    Eine Traumperle.
    Wenn Rautak-Fischer zum ersten Mal eine Schlafmuschel bestiegen, fanden sie am nächsten „Morgen" - also am Ende der Schlafphase - einen winzigen Kristall neben ihrer Stirn, der leicht an der perlmuttglänzenden Innenseite der Schlafmuschel haftete. Dieser Kristall - eine Absonderung von purem Tzan'dhu, wie die Wissenden sagten - war der Nukleus, um den in vielen Schlafphasen die Traumperle wuchs. Traum um Traum legte sich eine schimmernde, leicht irisierende Schicht um den kristallinen Kern, der nach und nach rund wurde, dann eiförmig - und immer größer.
    Traumperlen waren Kondensate der intimsten Rautak-Phantasien, der verwegensten, verzückendsten und verstörendsten Abenteuer in den weiten und unerforschten Gewässern des Schlafs. Sie waren das Persönlichste, was ein Rautak besitzen konnte. Bis sie „reif" waren. Bis Klindo, der Muschelmeister, kam, um sie aus der Schlafmuschel zu losen und zu den Wissenden zu tragen - an einen geheimen Ort, irgendwo tief drinnen in den „verbotenen Stollen".
    Bis jetzt hatte sich Jamaske mit diesem unausweichlichen Verlust auch immer klaglos abgefunden.
    Aber bis jetzt hatte sie auch keinen geträumten Mann gehabt.
    In ihrer Traumperle steckten aberhundert Umarmungen, steckten zärtliche Küsse und ungestüme Vereinigungen. Nein, diese Perle würde sie nicht hergeben. „Nein!" rief Jamaske. „Geh zu deinen Wissenden und sag ihnen, daß Jamaske, die Fischerin, ihre Träume nicht hergeben wird. Geh und sag ihnen das! Und wenn nicht Paumyr selbst zu mir spricht, werde ich meine Meinung nicht ändern. Das ist mein letztes Wort."
    „Du bist unvernünftig, Jamaske", sagte der Muschelmeister „Was ist das nur mit dir? Nie bist du zufrieden. Immer haderst du mit deinem Leben. Warum kannst du nicht wie alle anderen Kinder Paumyrs sein?"
    „Ich bin Jamaske", sagte die streitbare Rautak. „Ich bin wie niemand sonst, und niemand sonst ist so wie ich."
    Der Muschelmeister lächelte ein trauriges Lächeln, bevor er sich umdrehte und langsam den Stollen hinaufstieg, der aus den Ruhekavernen in eine der Haupthohlen führte. „Ich wünsche dir friedliche Träume", sagte er im Gehen. „Aber vergiß nie, von wem sie kommen und wem sie gehören..."
    Jamaske, breitbeinig, die Hände noch immer zu Fäusten geballt, sah dem Muschelmeister mißtrauisch
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