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2033 - Tod im Türkisozean

Titel: 2033 - Tod im Türkisozean
Autoren: Unbekannt
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versetzen könnte wie ihren Geliebten. „Bist du je ein Kind gewesen, mein Bronzevögelchen?" fragte Latruiz unvermittelt, während sie ihren Kopf in seinen Schoß gebettet hatte und hinauf zur flechten- und lianenverhangenen Decke der Unterweisungshöhle sah, in der sie sich für gewöhnlich trafen. „Sind wir nicht alle Paumyrs Kinder?" fragte Jamaske erstaunt zurück. „Aber was sind Kinder, Jamaske?"
    „Kinder sind Schutzbefohlene. Kinder sind die, die in und auf Paumyr und den anderen Inzaila leben."
    „Das ist schon richtig, aber das waren sie nicht immer", sagte Latruiz, dem seine Frage schon wieder leid tat, und er streichelte wie entschuldigend ihre Schläfen, ihre Wangen und ihren Nacken, bis sie in ein zufriedenes, traumloses Dösen hinweggeglitten war.
    Ein anderes Mal sprach sie mit Latruiz über die beunruhigenden Gerüchte, die von den Fischern verbreitet wurden. Angeblich, so berichteten die Paumyr-Sprecher, die regelmäßig zur Oberfläche der Inzaila hinaufstiegen, trafen die Fischer auf ihren Fahrten über den Türkisozean nun immer wieder auf Rautak von anderen Inzaila - von Lauryl, von Gelnina und von Glaiten. Früher hatten solche Begegnungen nur einmal in ein paar tausend Perioden stattgefunden, jetzt vergingen kaum drei oder vier ohne ein Aufeinandertreffen auf hoher See.
    Da sich auch wieder die schwarzen Zackenzylinder am Silberschirm zeigten, hatte die Fischer eine große Unruhe erfaßt. Sie begannen zu munkeln, Hauchmén Zovirasch, das Ende der Welt, stehe unmittelbar bevor. „Es ist etwas Wahres dran, Jamaske", gab Latruiz zu. „Alle Inzaila streben zur Zeit nach dem Südpol, nach Alshma Ventor, dem Schlafenden Licht. Aber eigentlich sollten sie das nicht.
    Noch hat keine Inzaila - nicht einmal Paumyr - genügend Tzan'dhu aus dem Flimmernetz jenseits des Silberschirms gesaugt, um sich schon jetzt in eine Inzaila-Onda verwandeln zu können. Und für die Entstehung einer Inzaila-Onda wären sogar zwei Inzaila nötig."
    Eine Karawane schildförmiger Grottenasseln überquerte den Höhlenboden. Jamaske konnte im Inneren eines jeden der halbtransparenten Tiere einen sandkorngroßen Punkt ausmachen: das winzige Herz, das in einem Kokon aus feinen, pulsierenden Fäden - den Adern - vor sich hin pumpte. Als die Assel-Karawane den hellen Lichtkegel einer an der Höhlenwandung wachsenden Lampenflechte durchquerte, wurden die Tiere für Jamaske praktisch unsichtbar.
    Jamaske hatte diese Beobachtung schon öfter gemacht - aber nicht bei winzigen, halbdurchsichtigen Höhlentieren, sondern bei Rautak, bei Paumyr-Sprechern, die für einige Augenblicke direkt vor ihren Augen verschwanden. In Anbetracht der Häufigkeit, mit der ihr das inzwischen passierte, konnte es keine Sinnestäuschung mehr sein. Jamaske faßte sich ein Herz und wagte es zum ersten Mal, Latruiz darauf anzusprechen. „Kennst du das auch", fragte sie ihren Geliebten, „daß ein Paumyr-Sprecher plötzlich durchscheinend wird oder ganz verschwindet? Direkt vor deinen Augen? In einer hellichten Höhle?"
    Latruiz seufzte tief, nickte und sagte zögernd: „Ja, ich kenne das auch, Jamaske. Wir kennen es alle. Du bildest dir das nicht ein."
    „Wie kann so etwas möglich sein?" fragte Jamaske nach. „Wir sind doch keine Grottenasseln oder Wolkenwale. Und auch ein Wolkenwal kann nicht einfach verschwinden. Er ist nur manchmal sehr schwer zu sehen, wenn er in das Leuchten des Silberschirms hineinsegelt."
    „Es liegt an Paumyr", sagte Latruiz mit einem leichten Zittern in der Stimme. „Paumyr hat nicht mehr die Kraft, uns alle zu halten. Sie braucht ihr Tzan'dhu für etwas anderes."
    „Was soll das heißen: Sie hat nicht mehr die Kraft, uns alle zu halten? Ich verstehe dich nicht, Latruiz."
    Und da - endlich! - brach es aus Latruiz heraus.
     
    13.
     
    Paumyrs langer Traum
     
    „Hast du es denn noch immer nicht verstanden, Jamaske?" schleuderte ihr Latruiz mit heftiger - mit verzweifelt heftiger - Stimme entgegen. „Wir leben gar nicht wirklich! Wir sind nur Paumyrs Träume! Wir sind nur Gaukelleben!"
    „Was sagst du da?" fragte Jamaske wie vor den Kopf gestoßen. Sie hatte sich in ihrer gemeinsamen Sitzmulde kerzengerade aufgerichtet und starrte Latruiz verständnislos an. Aber gleichzeitig begann ein Verstehen, das sie ablehnte, das langsame Begreifen einer Wahrheit, die sie schon immer geahnt hatte, unerbittlich in ihr hochzukriechen und sich als eisig klare Gewißheit breitzumachen.
    Latruiz war aufgestanden und ging mit
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