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2.02 Der fluesternde Riese

2.02 Der fluesternde Riese

Titel: 2.02 Der fluesternde Riese
Autoren: Joachim Masannek
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„Ich bringe dich um!“ Ich freute mich so, und als ich im nächsten Moment Willi entdeckte, lief ich begeistert zu ihm hin.
    „Wir haben’s geschafft. Willi, hast du das erwartet? Denn wir haben es nur durch dich geschafft. Weil du uns trainiert hast und weil du aus einem Haufen Schrott den Lancelot-Test hoch zwei gebaut hast.“
    Ich wollte Willi wie Leon umarmen. Doch der lehnte an einem der Räder unter dem Flügel der Mustang und streckte den Arm abweisend aus. Ich stoppte abrupt.
    „Hey, das meine ich ernst!“, rief ich verdattert. „Wir haben’s geschafft. Wir gehören nach Donnerschlag! “
    „Nein. Ihr dingst nur am Dingsda. Ich meine am Haken! Wie ein zappelnder Bäng aus dem Wasser, kapierst du?“, fiel mir die dritte Stimme ins Wort, und als ich mich umdrehte, sah ich den Kerl am anderen Fahrwerk des Flugzeugs lehnen.
    Die Baseballkappe fiel ihm über den kleinen Schädel bis auf die Segelohren herab, und der eigentlich dürre Körper steckte in einem solchen Berg aus Klamotten, dass es mir vorkam, als trüge der Kerl alle Kleider, die er besaß. Doch die Füße steckten nur in Sandalen, und deshalb konnte ich sehen, dass der Dreck die Farben der einstmals so bunt geringelten Socken längst schon verdaut und gefressen hatte. Ja, und jetzt hatte ich Angst, dass er das auch noch mit den Zehen machen würde, die man durch die Löcher sah.
    „Billi?“, fragte ich, und der Kerl, dessen Nase wie die einer Schlange aussah, zischte einmal mit der Zunge.
    „Billi, der Ringelsocken-Flugzeugpropeller-Klapperschlangenmann?“, raunte Raban, als beschwor er mit diesem Namen den Teufel persönlich, und wieder zischte der Kerl mit der Zunge.
    „Oder der Bäng mit dem härtesten Buhm. Maxi weiß, was ich meine.“ Er zeigte auf Willi. „Und der da war unser Dings Bäng Buhm, ähm …“ Er schaute verzweifelt zum Rad am Heck. Dort kauerte Edgar, der Pinguin. Der Butler von Markus’ Vater. Das Ehrenmitglied der Wilden Kerle e.W.

    „Excusez moi. Er meint unseren ‚Scorer’. Le ‚Monsieur Assist’. ‚Croix-Winkel-Willi’“, lächelte Edgar französisch akzentuiert und spielte dabei an einer Rüsche der Schürze, die er unter dem schwarzen Mantel trug. „Voilà, und mich kennt ihr ja schon.“
    „Das französische Wiesel“, erklärte Hadschi. „Der Wirbel auf rechts. Hui, wo ist er gewesen, und schon ist er futsch?!“
    Das Geheimerfinderphantom, das unter seinem Türkenfez doch tatsächlich ein Fußballtrikot trug, saß über uns auf der Motorhaube und lehnte dort an einem Propellerblatt. „Tja, und ich war der Held mit den zwei Füßen.“ Er schenkte Raban ein verschmitztes Grinsen. „Und jetzt putzt die Glubscher, Marlon und Leon. Ich scheinwerferspotte die Numero 10.“ 16
    Er zog eine Taschenlampe aus dem Ärmel und richtete sie auf den Teil des Hangars, der hinter dem Flugzeug im Schatten lag. Ich sah den Mann, der in den Lichtkegel trat, und hörte Leon hinter mir:
    „Du, Papa? Ich dachte, du …“
    „ … hast keine Ahnung von Fußball …“, führte ich seinen Satz zu Ende.
    Doch dann verschlug es mir die Sprache. Ich schaute zu Nerv. Der schnappte nach Luft. Er gestikulierte mit wedelnden Armen und zeigte dabei auf die Person, die nach meinem Vater in den Lichtkegel trat: „Das ist … das da ist … das da, da ist …“
    „ … deine Mutter!“, nickte die Frau, die wir die Hexe von Bogenhausen nannten. „Die mit dem Alptraumpass.“
    „Dreifach zerbissener Kopfkissenzipfel!“ Nerv kniff sich so fest in die Wange, dass ich vor Schmerz zusammenzuckte.
    Doch dann bekam Maxi einen Hustenanfall. Seine Beine wurden zu Gummi, und während er wie eine betrunkene Seeanemone torkelnd auf der Stelle wankte, folgte Herr Maximilian, sein Vater und unser tödlichster Feind, in den Kegel von Hadschis Taschenlampe.
    „Papa? Pa-papa?“, rang Maxi nach Atem, und sein Vater, der keine Miene verzog, sagte nur trocken:
    „Der Unbezwingbare.“
    „Kacke verdammte!“ Leon trat neben mich. „Ist das eine Falle?“ Er schaute zu Willi. „Was hast du mit Maxis Vater zu tun?“
    „Und mit meiner Hexe?“, krächzte Nerv heiser und zog dann erschrocken den Kopf in den Kragen. „Ich mein’, meine Mutter.“
    Doch Willi sagte kein Wort. Er war auch nicht Willi. Ich mein, der, den wir kannten. Er war nicht der Kerl, der im Wohnwagen lebte. Er war jetzt der Kerl, der er vor vielen Jahrzehnten einmal gewesen war. Bevor ihm der Vater des Dicken Michi das Knie durch den Fleischwolf gezogen hatte
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