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2017 - Das Kind und der Pflanzenvater

Titel: 2017 - Das Kind und der Pflanzenvater
Autoren: Unbekannt
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auf, als sie den Uralten erkannte. Ein Strahlen glitt über ihr stupsnasiges, zartblaues Kindergesicht, das von goldenen Locken umkränzt wurde. Ehrerbietig legte sie drei Finger ihrer zierlichen rechten, der „künstlerischen" Hand auf seine Stirn und legte sie anschließend auf ihre Brust.
    Stets grüßte der Niederrangige den Höherrangigen auf diese Weise; es bedeutete, etwas von dessen Lebenskraft aufzunehmen und durch das Herz strömen zu lassen. Der Gruß wurde auch als Zeichen besonderer Achtung verwendet. Gleichberechtigte legten drei Fingerspitzen der jeweils rechten Hand aneinander, und Freunde umfaßten sich zusätzlich mit dem vierten Finger, dem Daumen.
    Familienmitglieder drückten die Stirn aneinander.
    Ein ganz neutraler, höflicher Gruß unter Tharoidonem, die sich nicht unbedingt blaugold waren, war das kurze Aneinanderlegen der linken Handflächen. Diese Geste benutzten sie auch anderen Völkern gegenüber. „Was für eine Freude, dich so gesund vorzufinden, Yhata-Satnaky!" sagte sie in aufrichtiger Zuneigung. „Glaube mir, daß ich deine eifrigste Nacheiferin bin, so alt und würdig zu werden wie du!"
    Sein gütiges Gesicht war von vielen Runzeln überzogen, doch seine Augen blickten hellwach. Er betrachtete sie prüfend. „Du hast eine körperliche Veränderung durchgemacht", stellte er fest. „Glaube nicht, daß mir das entgeht, auch wenn sich die Brüste nach der Stillzeit wieder zurückbilden. Es ist sicher nicht länger als elf Segaf her."
    Sie nickte stolz. „Ich habe Zwillinge bekommen, von Sorku-Kuree, meinem Stellvertreter. Wir erziehen sie als neue Ordensmitglieder, und sie bereiten mir viel Freude."
    Darüber freute der ehemalige oberste Mönch sich kurz. Er selbst hatte in seiner Hingabe nie die Zeit für eine Verbindung gefunden, was er bis vor mehreren Segaf noch manchmal bedauert hatte.
    Heute jedoch nicht mehr, auch das war inzwischen fern. „Und fügt sich sonst alles gut bei dir?" forschte er.
    Die Nonne nickte. „O ja, im Orden läuft alles wie gewohnt."
    „Mal abgesehen von weiterer technischen Errungenschaften, nicht wahr?" Eine Feststellung, in eine rhetorische Frage gekleidet.
    Yhata-Satnaky hatte während seiner Amtszeit jegliche technischen Hilfsmittel abgelehnt. Aus dem Kloster mußten alle Maschinen - mit Ausnahme des elektronischen Archivs - entfernt werden, damit Nonnen und Mönche in absoluter Askese in Einklang mit dem Wald lebten. Nur maschinell hergestellte Möbel und Einrichtungsgegenstände waren gestattet, damit keine Pflanzen dafür genommen werden mußten.
    Das Kloster diente als Archiv für die Aufzeichnungen der Mönche und Nonnen, als Versammlungspunkt für Besucher und für Zusammenkünfte des gesamten Ordens. Hier wurden auch die Adepten herangezogen.
    Die übrigen Mönche und Nonnen lebten im Wald verstreut, in Baum- und Buschhäusern, die nicht aus totem Holz stammten, sondern während des Wachsens entsprechend geformt wurden. Nach Yhata-Satnakys Ausscheiden besaßen sie wieder automatische Medoboxen. Eine Funk- und Ortungsanlage gab es nur im Kloster, da innerhalb des Waldes keinerlei Ortungen oder Funkverbindungen mehr möglich waren.
    Der Uralte lebte allerdings nach wie vor nach seinem Prinzip - beispielsweise trug er nicht einmal Sandalen zu seinem weit fallenden Gewand; und ein Prallfeldprojektor, der mit seinem zartgolden schimmernden Schutzfeld vor den Unbilden der Natur schützte, war für ihn selbst in seinem gebrechlichen Alter undenkbar.
    Natürlich war ihm bewußt gewesen, daß er weder die Zeit noch Veränderungen aufhalten konnte.
    Damals, als sein Haar allmählich glatter und dunkler wurde, hatte er es an der Zeit gefunden, einen Nachfolger zu berufen. Mit allen Konsequenzen - und ohne weitreichende Belehrungen. Wenn seine Gebote von nun an nicht mehr im gewohnten Maße befolgt wurden, so hatte das sicher seine Richtigkeit.
    Es hatte mehrere Kandidaten gegeben, doch seine Wahl war auf die junge Nonne gefallen. Obwohl Yhata-Satnaky auch mit ihr nicht vollends zufrieden war. Denn sie verstand die Windsprache nicht mehr, nicht einmal, wenn sie auf der Lichtung stand.
    Das war eine besorgniserregende Entwicklung. Wenn niemand mehr die Mitteilungen des Pflanzenvaters verstand - was würde dann aus der Galaktischen Krone? „Ja", mußte die oberste Nonne zugeben. „Verzeih mir, Verehrungswürdiger, daß wir deine Gebote mißachten. Doch ich halte es für wichtig, den Kontakt zur Außenwelt zu erhalten und nicht in der
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