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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
Autoren: Karl May
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Revolver.
    „Das werdet Ihr bleiben lassen“, antwortete ich ruhig. „Seht Eure Stiefel und Eure Sporen an! Passen sie in diese orientalischen Steigbügelschuhe? Das Pferd gehört nicht Euch. Wem habt Ihr es gestohlen?“
    „Das werde ich dir sofort mit einer Kugel sagen, neugieriger Schuft!“
    Er riß den Revolver aus dem Gürtel, um ihn auf mich zu richten; aber ich ließ ihm nicht den kurzen Augenblick Zeit, den er brauchte, die Sicherung zu heben, sondern holte aus und gab ihm einen Fausthieb an die Schläfe, daß er die Zügel fallen lassend, auf der andern Seite vom Pferd stürzte und da am Boden liegen blieb. Ich stieg ab, um sogleich seine Taschen zu untersuchen. Da sprang Jim Snuffle auch aus dem Sattel, eilte herbei, faßte mich am Arme und rief:
    „Alle Wetter, Mensch, das hat ja ganz den Anschein, als ob wir einen Straßenräuber bei uns hätten! Wenn Ihr nicht sofort von diesem Mann laßt, schlage ich Euch mit dem Gewehrkolben zu Boden!“
    Er wollte mich aufzerren, brachte dies aber trotz aller Kraft, die er anwendete, nicht fertig. Ich schüttelte ihn von mir ab, richtete mich selbst auf und antwortete in ruhigem, aber sehr entschiedenem Tone:
    „Meine Faust ist schneller als Euer Kolben, Mr. Snuffle. Old Shatterhand ist weder ein Straßenräuber noch so ein leichtgläubiger Knabe wie Ihr; das merkt Euch wohl! Laßt mich machen, was ich will, sonst trifft Euch meine Hand gradso, wie sie diesen Lügner vom Pferd geworfen hat!“
    „Aber – aber – aber“, stotterte er eingeschüchtert, „er hat Euch ja nichts getan!“
    „Mir nicht, aber anderen Leuten; das werde ich Euch beweisen.“
    Ich bückte mich wieder nieder und leerte die Taschen des Bewußtlosen, ohne nun dabei gestört zu werden. Ich fand nur Gegenstände, welche jeder Westmann bei sich trägt, aber nichts, was meinen Verdacht bestätigt hätte. Dies veranlaßte den guten Jim, mir vorzuwerfen:
    „Da habt Ihr Euern Irrtum; Ihr findet nichts. Man fällt doch nicht wie ein wildes Tier über einen Menschen her, nur um – – –“
    „Bitte, ereifert Euch nicht!“ fiel ich ihm in die Rede. „Dieser Inhalt seiner Taschen beweist nur, daß er ein Westmann ist, nicht aber auch, daß dieses Pferd ihm gehört. Wollen nun auch erfahren, was sich in den Satteltaschen befindet.“
    Ich öffnete die eine, griff hinein und zog etwas heraus, was ein Westmann schwerlich bei sich führt, nämlich ein kleines Buch, welches in Maroquin gebunden war. Als ich es öffnete, sah ich persische, nicht gedruckte, sondern geschriebene Schriftzüge; ich las auf der Seite, welche ich ohne Wahl getroffen hatte:
    „Du yar zirak u az bada in kuhun du mani,
Faragat-i va kitab-i va gusa i caman-i!
Man in huzur bi dunya va achirat na diham;
Agarci dar pay-am uftand chalki, anjuman-i!“
    Das war ja ein im Mujtaß-Metrum gedichtetes Ghasel aus dem Diwan des Hafis, des größten Lyrikers, den Persien geboren hat! Konnte dieses Buch das Eigentum eines einfachen, gewöhnlichen, ungebildeten Savannenläufers sein? Entschieden nicht! So ein Mann pflegt nicht persisch studiert zu haben und sich gar während eines Rittes durch das Gebiet der feindlichen Comanchen mit Hafis zu beschäftigen.
    Ich suchte weiter und fand außer einer persischen Hukah (Wasserpfeife) noch verschiedene andere Gegenstände, welche mit Sicherheit darauf schließen ließen, daß der rechtmäßige Besitzer des Pferdes entweder ein Orientale sei oder wenigstens orientalische Gewohnheiten habe. Und das hier im fernen amerikanischen Westen! Ein Umstand, welcher mich gewiß zur Verwunderung berechtigte! Sollte der Besitzer ein reicher Yankee sein, welcher die Prärie durchquerte und vorher in Persien oder überhaupt im Orient gewesen war? Man hatte ihn beraubt, vielleicht gar ermordet; das mußte untersucht, unbedingt untersucht werden!
    Die beiden Snuffles standen dabei, denn Jim war auch abgestiegen, und sahen mit gespannter Erwartung und jedenfalls sehr unklaren Empfindungen meinem Beginnen zu. Als ich die Hukah zum Vorscheine brachte, fragte Jim neugierig:
    „Was ist denn das für ein Ding? Ein Schlauch, der einen Kopf und eine gläserne Flasche hat! Wohl gar ein Apothekerinstrument, zum Destillieren des Spiritus und des Likörs?“
    „Das weniger. Es ist eine persische Tabakpfeife, bei welcher der Rauch durch Wasser geführt wird.“
    „Der Rauch durch Wasser! Das muß das höchste der Gefühle sein! Also raucht der Mann, der hier am Boden liegt, durch diese Wasserflasche?“
    „Der
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