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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
Autoren: Karl May
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ein sehr gutes Pferd ritt, und bemerkte zu meinem Erstaunen, daß dasselbe in einer Weise aufgeschirrt war, welche für Amerika eine vollständig fremde ist. Das Sattel- und Riemenzeug war nämlich fast genau der kostbaren Schirrung nachgeahmt, welche man in Persien Reschma nennt. Diese Nachahmung war billig hergestellt und von einer Hand gefertigt, welche das Original nicht kannte; aber es war darum nicht weniger auffällig, hier im wilden, amerikanischen Westen ein persisches Reschma zu sehen. Ich wußte wirklich nicht, wie ich mir das erklären und was ich davon denken sollte. Ich hatte bisher viel Ungewöhnliches erfahren und erlebt, aber so sonderbar wie dies war mir noch selten etwas vorgekommen.
    Der Reiter war ein Vollblutamerikaner; er hatte dieses Geschirr jedenfalls nicht beim Sattler fertigen lassen. Er trug die Kleidung eines Westläufers, hatte eine Flinte auf dem Rücken hängen und in dem Gürtel einen Revolver, ein Bowiemesser und – – – was noch mehr stecken? Ich traute meinen Augen kaum, als ich einen langen, persischen Chandschar (Dolch) erblickte, dessen Griff sehr kunstvoll mit Silber ausgelegt war. Wie kam dieser Westmann zu der orientalischen Waffe? Das konnte unmöglich mit rechten Dingen zugehen!
    Er grüßte mürrisch und hielt notgedrungen sein Pferd an, als wir seinen Gruß erwidert hatten. Jim Snuffle fragte ihn:
    „Werdet Ihr es übelnehmen, Sir, wenn wir Euch eine Minute lang aufhalten? Die Comanchen sind aus ihren Löchern gekrochen, und unter solchen Umständen ist es immer gut, zu wissen, ob die Gegend, welche man vor sich hat, sicher ist oder nicht. Kommt Ihr vielleicht vom Beaver-Creek herüber?“
    „Ja“, antwortete der Gefragte, indem er seine lange Gestalt aufrichtete und die breiten Schultern ungeduldig bewegte. „Wenn Ihr etwas wissen wollt, so macht es kurz; ich habe Eile.“
    „Werde nichts Unnötiges sagen. Welchen Weg habt Ihr jenseits des Creek gehabt?“
    „Von der Antelope-Buttes her.“
    „Allein?“
    „Yes.“
    „Da seid Ihr ein außerordentlich verwegener Kerl. Seid Ihr auf Spuren von Comanchen getroffen?“
    „Nein.“
    „Aber es hat drüben schon Feindseligkeiten gegeben.“
    „Habe von nichts gehört. Seid Ihr nun fertig? Ich muß fort!“
    „Ja, bei einer so befriedigenden Antwort bin ich fertig. Danke Euch höflich, Sir, und wünsche ferner guten Ritt!“
    „Danke Euch; lebt wohl!“
    Die Snuffles waren zufriedengestellt, ich aber nicht. War mir erst das fremdartige Geschirr und der Chandschar verwunderlich vorgekommen, so fiel mir jetzt seine große, ja übergroße Eile doppelt auf; er kam mir ängstlich vor. Daß er von den Antelope-Buttes allein hierhergekommen sein wollte, war unbedingt eine Lüge. Darum trieb ich, als er sein Pferd wieder in Bewegung setzen wollte, das meinige hart an das seinige hinan und sagte:
    „Noch einen Augenblick, Sir! Was ist das wohl für ein seltsames Geschirr, womit Ihr Euer Pferd so schön herausgeputzt habt? Habe hier noch nie so etwas gesehen.“
    „Das geht Euch nichts an!“ antwortete er grob und versuchte voller Ungeduld, an mir vorbeizukommen; ich blieb ihm aber im Wege und fuhr fort:
    „Richtig! Es geht mich nichts an, aber ich bin nun einmal neugierig und möchte es gern wissen.“
    „Gebt den Weg frei!“ schnaubte er mich an. „Es ist ein mexikanisches Geschirr; jetzt wißt Ihr es, und nun fahrt mit Eurer Neugierde zum Teufel!“
    Er nahm sein Pferd vorn hoch, um es in einer Lancade an mir vorüberzutreiben; ich aber spornte das meinige zu einem noch weitern Satz an, blieb ihm also zur Seite und entgegnete:
    „Ihr irrt Euch, Sir; das ist kein mexikanisches sondern ein persisches Geschirr. Darf ich wohl fragen, von wem Ihr diesen fremdartigen Dolch hier in Euerm Gürtel habt?“
    „Nein, das dürft Ihr nicht fragen. Mit welchem Recht –“
    Er wurde von Jim unterbrochen, welche mir in verzweifelndem Ton zurief:
    „Was fällt Euch ein! Laßt diesen Gentleman in Ruhe; das rate ich Euch! Ich dulde nicht, daß Ihr ohne allen Grund hier eine Balgerei anfangt!“
    Ich hörte gar nicht auf ihn, sondern erklärte dem Fremden:
    „Dieser Dolch ist ein persischer Chandschar, und ich verlange, daß Ihr Euch über seinen Besitz ausweiset. Das Pferd, welches Ihr reitet, gehört nicht Euch.“
    „Was wagt Ihr, zu behaupten?“ brüllte er mich an. „Soll ich Euch eine Kugel durch den Kopf jagen?“
    Der Widerspruch des Snuffle gegen mich hatte seinen Mut erhöht; er griff nach seinem
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