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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
Autoren: Karl May
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jedenfalls nicht, sondern ein anderer, den wir ausfindig machen werden.“
    „Und was ist das für ein Buch?“
    „Ein persisches Gedichtebuch; persisch sind überhaupt fast alle diese Gegenstände.“
    „Wie könnt Ihr denn wissen, daß dieses Buch ein persisches ist?“
    „Weil ich es lese.“
    „Weil – Ihr – es – lest?“ stieß er die Worte einzeln hervor. „Ihr – Ihr – versteht also – persisch?“
    „Ja.“
    „Liegt dieses Persien etwa in dem Lande, welches man den Orient nennt?“
    „Ja.“
    „Wohl gar in der großen Wüste Sahara, wo die Menschen auf Kamelen sitzen?“
    „Nicht in ihr, aber auch nicht allzuweit davon.“
    „Alle Wetter! Hast du es gehört, alter Jim?“
    „Yes“, antwortete sein wortkargerer Bruder.
    „Schau mich einmal an!“
    „Yes!“
    Sie sahen einander an, und ich kann nicht behaupten, daß ihre Gesichter dabei den Ausdruck übermäßiger Klugheit zeigten.
    „Tim, du hast doch gehört, was letzthin in Fernandino von Old Shatterhand erzählt wurde?“
    „Muß es gehört haben; war ja dabei und habe gute Ohren.“
    „Wie oft soll er in den Vereinigten Staaten gewesen sein?“
    „Bis jetzt vierzehnmal.“
    „Und in der Zwischenzeiten?“
    „Bei den Türken, Chinesen und Niggern und auch da, wo man auf Kamelen sitzt und vor lauter Hitze die Haut und das Fell verliert.“
    „Well. Nun denke dir, dieser Mr. German hat diesen Fremden mit der Faust vom Pferd geschlagen, so daß ihm der Verstand vergangen ist!“
    „Yes!“
    „Er kann persisch lesen, was grad neben der Sahara liegt!“
    „Yes!“
    „Old Shatterhand soll überhaupt die Sprache aller dortigen Chinesen und anderer Muselmänner verstehen?“
    „Das soll er allerdings. Man sagt, daß er mit den Muselleuten in allen Indianerdialekten redet.“
    „Well! Nun laßt Euch einmal fragen, ob Ihr in diesen Ländern gewesen seid und mit den dortigen Gentlemen in ihren Sprachen gesprochen habt, Mr. German?“
    „Allerdings bin und habe ich das“, antwortete ich, da er sich mit diesen Worten wieder an mich gewendet hatte.
    „Waret Ihr wohl vierzehnmal in Amerika?“
    „Ja.“
    „So sind wir Snuffles wahrscheinlich zwei sehr große Esel gewesen. Sagt, ist das wahr, was Ihr gestern von dem Fallensteller Stoke in Fort Randall erzähltet?“
    „Wort für Wort.“
    „Dann ist Eure alte Kanone da vielleicht doch der richtige Bärentöter. Wenn Ihr doch so gut sein wolltet, uns das andere Gewehr auch einmal sehen zu lassen!“
    „Welches Ihr gestern ein Sonntagsgewehr nanntet? Wißt Ihr denn, wie ein Henrystutzen aussieht?“
    „Yes. Habe ihn mir sehr genau beschreiben lassen. Würde sofort wissen, woran ich bin.“
    „So seht ihn an; ich habe nichts dagegen.“
    Ich nahm das Gewehr aus dem Überzug und gab es ihnen hin. Sie betrachteten es, und die verlegenen Gesichter, die sie dabei zogen, waren wirklich köstlich. Sie erkannten, welchen Fehler sie begangen hatten, und wagten nicht, mich anzusehen.
    „Was sagst du, alter Tim, he, was sagst du zu diesem Gewehr?“ fragte Jim.
    „Ein Henrystutzen!“
    „Ohne allen Zweifel. Und da ist eine Silberplatte mit einem Namen eingeschraubt. Kannst du ihn lesen?“
    „Yes. Old – – Old – – Shat – – Old Shatterhand“, buchstabierte er.
    „Richtig! So lauten die Buchstaben, wenn man sie richtig zusammennimmt; ich sehe es auch. Und wir haben es nicht geglaubt! Wir haben diesen berühmten Gentleman sogar für einen – – – hm, für einen Pferdedieb gehalten. Ist dir schon einmal so ein dummer Streich passiert?“
    „No.“
    „Mir auch nicht. Der muß gutgemacht, der muß ausgebessert werden. Aber – hm – – – hm!“
    Es wurde ihm außerordentlich schwer, seine Verlegenheit einzugestehen; er stand noch eine Weile von mir abgewendet; dann drehte er sich mit einem gewaltsamen Ruck herum, trat auf mich zu und sagte:
    „Sir, wir sind die größten Dummköpfe gewesen, die es auf dieser alten Prärie geben kann, nämlich ich und mein Bruder Tim; aber nach allem, was ich von Euch gehört habe, werdet Ihr es uns wohl nicht sehr lange nachtragen. Lacht uns aus, soviel Ihr wollt; aber wenn Ihr Euch satt gelacht habt, so denkt nicht mehr daran!“
    „Ihr glaubt also nun, daß ich Old Shatterhand bin?“
    „Yes“, nickte Tim, und sein Bruder erklärte weniger wortgeizig:
    „Natürlich glauben wir es; wir beschwören es sogar, und wenn jetzt einer käme, der es bezweifeln wollte, so erhielte er von uns so viele Kugeln in den
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