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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
Autoren: Karl May
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Stelle hätten uns nicht einsperren lassen, keinen Eid abgelegt und auch keine Anweisungen unterschrieben.“
    „Das kannst du gut behaupten, weil ihr eben nicht an unserer Stelle gewesen seid!“
    „Du irrst, weil du weder mich noch meinen Effendi kennst. Wer oder was wäre dieser Säfir, von welchem du erzählt hast, gegen ihn gewesen? Und wenn er noch so kräftig und noch so listig und noch so mutig gewesen wäre, so hätte ihn das alles doch gegen die Stärke, die Klugheit und Kühnheit meines Sihdi, geschweige der meinigen, gar nichts genützt. Wir haben noch ganz andere Leute bezwungen, als dieser Perser war. Ich wollte, wir würden einmal von ihm in den Birs gesperrt! Du würdest bald erfahren, wie schnell wir wieder heraus wären, um ihn mit unserm Hohngelächter niederzuschmettern!“
    Der Hadschi überlegte nicht, daß diese Worte geeignet waren, den Bimbaschi zu beleidigen; er ahnte auch ebensowenig wie ich, wie bald seine Prahlerei zur Wahrheit werden sollte. Zu meiner Beruhigung klang die Antwort des Wirts ohne Groll:
    „Allah verhüte, daß ihr jemals in eine solche Lage kommt! Der stärkste und klügste Mann kann, wenn er gefesselt ist, nichts gegen seine Feinde tun, und eure Feinde – – – ah, ich sollte doch erfahren, wer sie sind?“
    „Ja, du sollst es wissen und wirst erstaunen, wenn du erfährst, mit welcher List und Leichtigkeit wir uns ihrer entledigt haben. Willst du es vielleicht erzählen, Sihdi?“
    „Nein“, antwortete ich.
    „Das ist sehr recht von dir“, nickte er selbstverständlich. „Wer eine solche Sache erzählen will, der muß die Offenheit des Mundes, die Beweglichkeit der Zunge, die Eindringlichkeit der Vernunft in die Tiefen des Verstandes und zugleich die große Kunst besitzen, grad da anzufangen und grad da aufzuhören, wo angefangen und aufgehört werden muß. Diese Kenntnisse und dieses Geschick aber besitzen nur wenig Menschen, und wenn nichts davon vorhanden ist, darf man sich nicht darüber wundern, daß aus dem schönsten Erzählungsstoff ein alter, zerrissener und zerbrochener Sattel wird, auf den sich niemand setzen kann. Nun werde ich beginnen, und ihr habt mir mit Andacht zuzuhören!“
    Es versteht sich ganz von selbst, daß er unserer Begegnung mit dem Pädär-i-Baharat einige abenteuerliche Seiten, die gar nicht vorhanden gewesen waren, hinzufügte, und ebenso unvermeidlich war es, daß er mich zwar außerordentlich lobte, sich selbst aber noch viel weniger vergaß. Er pflegte dies bekanntlich in der Weise zu tun, daß er sich als meinen Berater und Beschützer bezeichnete. Es fehlte auch nicht an drolligen Wendungen, welche mir so viel Vergnügen machten, daß ich ihn aus Dankbarkeit dafür ohne Unterbrechung sprechen ließ, bis er fertig war. Als Nutzanwendung ließ er dann noch die an den Bimbaschi gerichtete Bemerkung folgen:
    „Du hast gehört, daß wir es mit drei Mördern und einem Verräter samt seiner Frau zu tun gehabt haben. Uns war der Tod bestimmt; aus deiner Erzählung aber geht hervor, daß deine Feinde nur beabsichtigten, dein Geld zu bekommen und dich durch einen Eid unschädlich machten. Wir haben uns also in einer weit größeren Gefahr befunden als ihr. Ihr seid ahnungslos in die Falle gegangen; wir aber haben die Falle auf derjenigen Seite, wo sie für uns offen war, zugemacht und sie dann auf der andern Seite geöffnet, wo unsere Widersacher hineingekrochen sind. War das nicht klug von uns? Und wie haben sie die Peitsche gefühlt! Ich sage dir, so eine Karbatsch ist der Inbegriff aller siegreichen Unwiderstehlichkeit! Ich würde niemals ohne Peitsche in den Birs Nimrud steigen. Hättet ihr eine mitgehabt, so würde die Gunst des Schicksales euch hineinbegleitet und als freie Männer wieder herausgelassen haben.“
    Der Bimbaschi ließ diese Ermahnung unerwidert über sich ergehen und richtete an mich die Frage:
    „Und nun denkst du, Effendi, daß diese Perser hier in Bagdad nach dir suchen werden?“
    „Falls sie überhaupt hierherkommen, werden sie das sicher tun“, antwortete ich.
    „Und darum willst du schon morgen fort?“
    „Nicht darum allein, denn ich habe dir schon gesagt, daß ich ihnen zwar ausweiche, sie aber nicht fürchte. Ich habe keinen Grund, hier liegen zu bleiben.“
    „Ist meine Bitte kein Grund für dich?“
    „Nein, denn wir kommen wieder. Dann werden wir Ursache zum Bleiben haben, denn es liegt ein mehrtägiger Ritt hinter uns, von dem wir ausruhen müssen.“
    „So will ich nicht länger in dich
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