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1988 - Die Diener der Materie

Titel: 1988 - Die Diener der Materie
Autoren: Unbekannt
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Runde um das Plateau wieder am Anfang angekommen war, legte sich Torr Samaho zum Schlafen nieder.
     
    *
     
    Als er aufwachte, fühlte er sich hungrig, und er empfand starken Durst. Beide Wahrnehmungen waren ihm in dem Zyklopenkörper neu.
    Er suchte den Nahrungsautomaten auf, den er gestern am Zugang zu dem Gebäude gefunden hatte, und verpflegte sich mit den Substanzen, die der Apparatur zu entlocken waren.
    Sämtliche Geheimnisse des Plateaus waren ihm anscheinend nun bekannt; jedenfalls all das, was man ihm zu entdecken erlauben würde.
    Gesättigt setzte er sich auf den Boden, den Rücken gegen die Wand des Gebäudes gelehnt, und starrte in die undurchdringliche Dunstglocke hinauf, die das Plateau überspannte.
    Er wußte nicht, ob der temporale Nebel sich in absehbarer Zeit heben oder senken würde, aber wenn das Plateau von dem seltsamen Medium überspült wurde, würde er es rechtzeitig genug bemerken.
    Samaho vermutete, daß er ein ganzes Jahr so sitzen blieb.
    Die Kräfte in seinem Inneren, die durch die Aufnahme von vier Millionen Individuen entstanden waren, bedurften einer lange währenden Koordination. Jeder Bewußtseinsinhalt war durch sein Menta vertreten, seinen seelischen Betrag, der nach dem Tod der jeweiligen Individuums fortbestand. Auch wenn die Menta-Brocken sich nicht den einzelnen Namen zuordnen ließen, Samaho hegte das Gefühl, daß er auch das Wissen der Crozeiren übernommen hatte.
    Vier Millionen Splitter wurden integriert und zu einem Ganzen gefügt.
    Als er sich erhob, war er sicher, die Kräfte seines Geistes zu beherrschen. Auch wenn es niemanden gab, mit dem er konkurrierte, die Gewalt in seinem Innersten erfüllte ihn mit Übermut und einem Verlangen nach Streit.
    Torr Samaho blickte zum Rand der Ebene. Er war sicher, daß er mit der neugewonnenen Einheit von Körper und Geist dem temporalen Nebel sein Geheimnis entreißen konnte.
    „Hörst du mich jetzt endlich?" brüllte er mit der Kraft seiner Zyklopenlunge, und er unterlegte die Worte mit einem derben, geistbetäubenden Impuls, der ein mental schwaches Wesen vielleicht getötet hätte.
    Samaho wartete lange ab.
    Er vermochte die Unrast in seinem Herzen kaum zu bändigen. Aber es passierte nichts. Niemand gab Antwort, auch die rätselhaften Gonglaute traten kein weiteres Mal auf.
    Von Wut erfüllt, nahm er die Wanderung um den Felsengrat des Plateaus wieder auf. Er brauchte lange Zeit, eine Ewigkeit, bis er den Gedanken akzeptieren lernte, daß es niemand gab außer ihm.
    Torr Samaho, im Exil am Ende des Raums und am Ende der Zeit, tut Buße für die Verbrechen der Vergangenheit.
    Möglicherweise war es das, was ein Unsterblicher als erstes lernen mußte, mit der inneren Ewigkeit umzugehen; und er konnte nicht gegen das Gefühl ankämpfen, daß die Abwesenheit des Todes auch das Leben entwertete.
    Das zweite Jahr bereitete ihm große Schwierigkeiten. Das dritte Jahr stürzte ihn in Depression. Im vierten Jahr verlor er seine Gefühle, sie diffundierten durch den temporalen Dunst in eine andere Welt, in der kein Torr Samaho existierte, und sie kehrten niemals wieder zurück zu ihm.
    Nach zwanzig Jahren - nicht mehr als eine Schätzung - ertönte noch einmal das Gonggeräusch.
    Es wiederholte sich viele Male, mit einem energiegetränkten Schwingungsmuster, das den Boden heftig erzittern ließ.
    Samaho erwachte aus der inneren Starre, die ihn beinahe in einen Felsen verwandelt hätte. Einen Atemzug lang fürchtete er, die Felsnadel könnte in sich zusammenbrechen. Dies wäre auch sein Tod gewesen, das Ende seiner sinnentleerten Existenz, die gleichwohl einen Rest von Hoffnung barg.
    Samaho stürzte zum Rand des Plateaus.
    Von unten zupfte ein Lufthauch an der Lederhaut seines Gesichtes, ein bittersüßer Geruch stieg in seine verknorpelten Nasenhöcker, und er glaubte Geräusche zu hören, die er nicht definieren konnte.
    Er wollte es zuerst nicht glauben - aber der temporale Nebel fing zu sinken an.
    Aufgeregt nahm er eine Wanderung auf, immer am Grat entlang, in der Furcht, auf der entgegengesetzten Seite des Plateaus könnte etwas aus dem Nebel zum Vorschein kommen, was ihm sonst entgangen wäre.
    Samaho empfand sein Verhalten als würdelos - aber es erwies sich als richtig.
    Er hatte die Hälfte der Rundung hinter sich, ein Marsch von wenigen Minuten, als vor seinem Zyklopenauge ein Vorsprung aus dem Nebel tauchte.
    Der Vorsprung befand sich in vier Metern Tiefe unterhalb des Felsengrates.
    Er kletterte vorsichtig über den
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