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1988 - Die Diener der Materie

Titel: 1988 - Die Diener der Materie
Autoren: Unbekannt
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existieren?"
    Langsam strich er mit seinen siebenfingrigen Händen über das schwarze Kleidungsstück, das er trug: „Dies hier ist der Anzug der Zeit, den Fiorano mir gemacht hat. Ich nehme an, du erkennst ihn wieder, Samaho? - Mit dem Anzug der Zeit spüre ich den uralten Geschichten dieser Schädel nach. Ich empfange Impressionen aus einer tiefen Vergangenheit, und ich kann fühlen, was in den Köpfen wahrgenommen und gedacht wurde... Das ist es, wofür mein Leben sich lohnt. Nicht diese... diese Sporenschiffe."
    „Wir erfüllen alle unsere Aufgabe", hielt Samaho ihm vor, „nur du nicht."
    „Ha!" machte Pan Owwe höhnisch. „Und was ist mit Ramihyn? Er sammelt in WAVE Gedichte über das Ende der Welt. Hast du das gewußt, Samaho? - Noge Byzan Ore'olk hat seinen Anzug der Dunkelheit seit hunderttausend Jahren nicht mehr abgelegt. Ich hörte, er wandelt damit an den Ereignishorizonten der Schwarzen Löcher entlang, den größten, die er im Universum finden kann.
    Weil er nur im Limbus zwischen Licht und Dunkelheit den Gedanken an die Ewigkeit erträgt. - Oder sprich mit Farzad Farzamfar.
    Er behauptet, in seinem Archiv seien die Namen aller Wesen verzeichnet, die seit seinem Amtsantritt im Universum gelebt und einen Namen besessen haben. Sage mir, ob Farzamfar den Verstand verloren hat! Glaubt er das wirklich, oder ist das eine seltsame Form von Humor?"
    Er hob die klobigen Hände, eine Geste, die geradezu hilflos wirkte.
    „Nimm Tomjago, der den Anzug des Traums trägt! Er träumt davon, daß die Diener der Materie den Weg hinter die Materiequellen antreten. Er träumt, daß wir den Sinn der Schöpfung und das GESETZ erkennen und daß wir anschließend in Frieden sterben können.
    Ist Tomjago ein Narr? Was denkst du, Samaho? Ich kann dir über jeden von uns eine Geschichte erzählen - nur über dich nicht.
    Begehst du ebenfalls einen Fehler? Gibt es da eine versteckte Passion?"
    Pan Owwe schwieg plötzlich, in der gewaltigen Fabrik SUVARI kehrte erwartungsvolle Stille ein, so als erwarte er wahrhaftig eine Antwort auf seine Frage.
    Samaho ließ seinen Blick unschlüssig über das uferlos scheinende Meer der Schädelregale wandern. Dann beschloß er, Owwe die Wahrheit zu sagen.
    „Ich baue ein Orchester auf", bekannte er würdevoll. „Es soll das beste Orchester des Universums sein."
    Pan Owwe starrte ihn plötzlich fassungslos an. „Ein... Orchester?"
    „Ja."
    Owwe fing plötzlich zu kichern an, und die Geräusche aus seinem Schlund brachen sich tausendfach in den herumliegenden Schädelresten.
    Als er sich beruhigt hatte, fragte er: „Hast du in den letzten hunderttausend Jahren einen Schwarm erbaut?"
    „Nein", mußte Torr Samaho zugeben.
    „Wirst du es in den kommenden fünfzigtausend Jahren tun? Wirst du zumindest die nötigen Befehle geben?"
    „Wenn das Ensemble steht", wehrte er ab. „Vorher werde ich die Zeit nicht finden."
     
    *
     
    Torr Samaho richtete seinen Blick auf die endlos scheinende Höhe des Orchesterdoms: sechzig Kilometer Resonanzraum, aber nicht ein einziger Ton, der die komprimierte Atemluft teilte und mit Leben füllte.
    Was er brauchte, war ein unsterbliches Orchester. Ein Ensemble aus Musikern, die nicht alle hundert Jahre ihre Profession neu erlernen mußten, sondern die ihm auch nach zehntausend Jahren für das Abspielen einer Sinfonie zur Verfügung standen.
    Samaho wußte nicht, woher er die notwendige Anzahl an Vitalenergiespendern nehmen sollte. Ihm war bekannt, daß verschiedene Superintelligenzen über Geräte dieser Art verfügten, doch er hätte nicht gewußt, wie auch nur ein einziges dieser Geräte für ihn zu beschaffen war. Auch ein Diener der Materie, von allen anderen Wesen des Standarduniversums am nächsten an der relativen Allmacht, konnte nicht jede Grenze nach Belieben überschreiten.
    Die nächstbessere Möglichkeit, die er sich vorzustellen vermochte, war ein Stasisorchester.
    Samahos Idee entstand durch einen Zufall, als sein Blick auf die abgelegten Stasisprojektoren seines Vorgängers in MATERIA fiel. Er entwickelte die Vorstellung, daß er die Mitglieder seines Ensembles nur künstlich in Stasis versetzen mußte - in einen physikalischen Zustand, in dem keine meßbare Zeit verstrich -, und er würde sie allein dann noch erwachen lassen, wenn er dirigieren wollte.
    Für jeden Künstler mußte dies die ultimate Erfüllung sein. Leben für die Musik, atmen im Sphärentakt und zu temporalem Sediment erstarren, wenn der letzte Akkord verklungen war.
    Er
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